Ein Blick in die deutsche Geschichte mag in all jenen unter uns neuen Optimismus entfachen, die ob der zunehmenden Repressionen seitens der heutigen Machthaber in Schwermut und Fatalismus verfallen sind. Machen wir also einen Abstecher nach Mannheim vor 205 Jahren – in die Epoche des Vormärz.
Am 23. März 1819, einem kalten und regnerischen Tag, näherte sich ein junger Mann in der vormaligen kurpfälzischen Residenzstadt Mannheim dem Hause Quadrat A 2, 5. Dort wohnte der seinerzeit äußerst populäre Dramatiker und Publizist August von Kotzebue. Jener hatte sich nicht nur als scharfer Kritiker des aufkeimenden deutschen Nationalbewusstseins hervorgetan, sondern war aufgrund familiärer Verbindungen ins Baltikum auch russischer Generalkonsul.
Der junge Besucher läutete und stellte sich dem Hausdiener als Herr Heinrichs aus dem kurländischen Mitau (heute Jelgava, Lettland) vor. Allerdings war August von Kotzebue anderweitig beschäftigt und so vertröstete man den adretten Burschen auf den Nachmittag. Gegen 17 Uhr wurde er dann tatsächlich vorgelassen, traf auf den Hausherrn in dessen Arbeitszimmer und stieß diesem mit den Worten “Hier, du Verräter des Vaterlandes!” einen Dolch gleich mehrfach in die Brust. Wenige Minuten später war der bekannteste Theaterdichter des frühen 19. Jahrhunderts tot.
Noch am Tatort konnte der 24-jährige Theologiestudent Carl Ludwig Sand verhaftet werden, nachdem er versucht hatte, sich aus Entsetzen über die eigene Bluttat hernach selbst zu entleiben. Sand überlebte, wurde trotz schwerer innerer Verletzungen im Gefängnis wieder aufgepäppelt und am 20. Mai 1820 zu Mannheim enthauptet. In national gesinnten Kreisen wurde der “Mörder aus Vaterlandsliebe” alsbald zum Helden, der für die Einheit und Freiheit Deutschlands sein Leben geopfert habe. Selbst Alexander Puschkin und Alexandre Dumas setzten ihm literarische Denkmäler. Die Bürger Mannheims stifteten ein Ehrengrab.
Vorwand für staatliche Repressionen
Zunächst aber kam die Einzeltat des psychisch labilen Burschenschafters Sand den Machthabern wie gerufen und hatte schwerwiegende Folgen für das politische Klima innerhalb des Deutschen Bundes. So diente der Vorfall als ein willkommener Anlass für die unter Federführung des österreichischen Staatskanzlers Metternich gefassten Karlsbader Beschlüsse. Der erzreaktionäre Österreicher und die meisten deutschen Fürsten glaubten in der Ermordung von Kotzebues das Fanal für eine antimonarchistische Revolte zu erkennen. In der Folge wurde Deutschland mit einem äußerst repressiven System aus strengster Zensur, dem Verbot von Studentenverbindungen und öffentlichen Versammlungen, allgegenwärtiger Spitzelei sowie einer polizeistaatlichen Verfolgung jedweder systemkritischer Regung überzogen. Mit der in Mainz angesiedelten “Zentralen Untersuchungskommission” schuf man sogar eine Art Vorläufer des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Die knapp dreißig Jahre währende Ära der sogenannten Restauration war den heutigen Verhältnissen in Deutschland also nicht unähnlich. Unter dem Druck der Repressionen zogen sich die meisten Menschen ins Privatleben zurück. Die Zeit des Biedermeier – ingeniös dokumentiert vom Maler Carl Spitzweg – gilt noch heute als spießiger Ausdruck eines stillen Sich-Abfindens mit den Verhältnissen seitens des (Klein-)Bürgertums, so man jenem nur die private Nische lässt. Für alle, die dennoch aufbegehrten, waren die Umstände freilich hart.
Im Zuge der in mehreren Wellen vonstatten gehenden sogenannten “Demagogenverfolgung” (heute “Kampf gegen rechts”) wurden sämtliche Burschenschaften als geheime Terrororganisationen eingestuft und deren Protagonisten mit Festungshaft oder sogar dem Tode bestraft. Wer dem entging musste immerhin noch mit einer Aberkennung der Anstellungsfähigkeit rechnen – also Berufsverbot vor allem für den öffentlichen Dienst. Prominentes Opfer des “Metternichschen Systems” war auch Fritz Reuter, der wegen revolutionärer Umtriebe dem Henker überantwortet werden sollte, dann aber Glück hatte und auf Betreiben des mecklenburgischen Großherzogs in der Festung Dömitz landete.
Am Ende siegt die Freiheit doch
Jene dunkle Zeit endete erst mit der bürgerlichen Revolution 1848/49. Dieser Meilenstein in der deutschen Demokratie- und Nationalgeschichte wurde von den herrschenden Monarchen zwar niedergeschlagen, führte aber dennoch zu einer deutlichen Liberalisierung des politischen Klimas. Fürst Metternich selbst wurde gestürzt und musste nach London fliehen. Die Herrscherhäuser hatten letztlich begriffen, dass sie ihre Macht nur mit Konzessionen an ihre Untertanen würden retten können. Verfassungen wurden erlassen, Grundrechte zugestanden, erste Schritte in Richtung Pressefreiheit waren möglich und 1871 erfüllte sich endlich auch der Traum von einem geeinten Deutschland.
Und was hat das alles mit uns heute zu tun? Na sehr viel! Zunächst einmal sehen wir, dass sich in all den Jahrhunderten grundsätzlich nicht viel geändert hat. Die Machthaber unserer Tage mit ihrem Repressionsapparat arbeiten kaum anders als es zu Metternichs Zeiten üblich war. Es sind andere Bezeichnungen aber die gleichen Methoden. Es war alles schon mal da. Doch es war auch nicht von Dauer. Das deutsche Volk hat auch diese Ära überstanden. Auf die Düsternis der Restauration folgten die leuchtenden Verheißungen der Revolution, die sich schlechterdings nicht sofort erfüllten aber am Ende den Durchbruch schafften – Dank des Kampfes unzähliger Patrioten, die nicht aufgaben und durchhielten als der Sieg ferner denn je schien. Bleiben wir heute also optimistisch. Wie damals arbeitet die Zeit für uns.
Gerne können Sie Ihre persönliche Meinung mit den anderen Lesern teilen. Nutzen Sie dazu bitte die Kommentarfunktion.
Unterstützen Sie die Patriotische Begegnungsstätte im historischen Torhaus Güstrow und sichert so den einzigen parteiunabhängigen Treffpunkt für Volks- und Heimatfreunde im Norden! Vielen Dank!