Es gab mal Zeiten, da wurde ich ständig gefragt, was man tun müsse, um Mitglied der AfD zu werden. Lange ist das her. Inzwischen fragt man mich eher mal um Rat, ob ich einen Verbleib in der Partei oder einen Austritt empfehlen würde. Ganz ehrlich? Ich habe noch nie jemanden in letzterer Hinsicht zu beeinflussen versucht. Parteiaustritte sind Mist. Wer die AfD erstmal verlassen hat, ist raus und hätte es nach einer allfälligen Sinnesänderung ziemlich schwer, wieder zurückzukehren in den Schoß der Herde. Ist wirklich so. Ich kenne da einen netten älteren Herren, der hat aus irgendeinem Verdruss mal seinen Mitgliedsausweis hingeworfen, ward dann längere Zeit nicht mehr gesehen und wollte schließlich doch gerne wieder in die AfD zurück. Allein man ließ ihn nicht, denn dem Landesvorstand galt er als Kritiker desselben und das wollten die Herren lieber nicht riskieren. Eben drum sage ich stets: bleibt drin, zahlt das bisserl Beitrag und schaut’s, wohin die Dinge sich entwickeln.
Warum ich das schreibe? Ganz einfach, weil ich ahne, dass angelegentlich des jüngsten Landesparteitages in Grevesmühlen die Frage wieder häufiger gestellt werden dürfte: Soll ich noch weiter in der AfD verbleiben? Und warten wir erstmal den kommenden Bundesparteitag ab, der mal wieder zum Endkampf zwischen “Gemäßigten” und “Radikalen” stilisiert wird, wobei wahlweise Björn Höcke oder Jörg Meuthen aus Sicht ihrer jeweiligen Anhänger die Rolle des Lord Voldemort bzw. Professor Dumbledore einnehmen.
Soviel Drama war letztes Wochenende in Mecklenburg-Vorpommern freilich nicht. Dabei hatte es ausgerechnet die Partei der alten weißen Männer geschafft, sogar noch die Koalitionsverhandlungen von SPD und SED zu überstrahlen, als allen Ernstes ruchbar wurde, es ginge bei der AfD-Fraktion im Schweriner Schloss zu wie weiland bei den Borgias im Vatikan. Da kommen glatt Erinnerungen hoch. Was hat man damals in der DDR gestaunt, als im Wendeherbst 1989 die Bürgerinitiativen in den Datschen der Honeckers, Mielkes und Sindermanns mal gucken gingen und in den Kommoden der eigentlich als unfassbar prüde geltenden Genossen bergeweise Pornofilme aus dem Westen fanden. Isses denn nur möglich? Am Ende mussten sich die Leute eingestehen, vierzig Jahre lang einen Haufen Witzfiguren für Politiker gehalten zu haben. Aber wir schweifen ab …
Bleiben wir bei jenem Landesparteitag. Dessen Ergebnisse sind nun alles andere als Begeisterungsstürme auslösend. Leif-Erik Holm wurde als Sprecher der Nordost-AfD wiedergewählt, obschon mit eher kläglichem Zuspruch. Geschenkt. In zwei Jahren sieht die Welt vielleicht anders aus. Kritik an dem Mann gibt es reichlich, doch läuft sie ins Leere ohne personelle Alternative. Immerhin muss Holm auch künftig einen Co-Sprecher neben sich ertragen und zwar den einzigen direkt gewählten Landtagsabgeordneten Enrico Schult aus Demmin, der zudem eine deutlich größere Unterstützung seitens der Parteitagsteilnehmer für sich verbuchen konnte. Ob der junge Mann an seinem neuen Posten Freude haben wird, dürfte freilich davon abhängen, inwieweit er sich neben dem alternden Platzhirsch zu profilieren oder gar neue Wege einzuschlagen sucht. Wie das zuweilen endet, illustriert das Schicksal früherer Kollegen von Holm. Angesichts der Zusammensetzung des restlichen Landesvorstandes dürften Eigenmächtigkeiten ohnehin schwierig werden. Einstweilen bleibt das natürlich eine Art Kreml-Astrologie, um einen lustigen Begriff aus der Ära des Kalten Krieges zu verwenden, als westliche Beobachter anhand der Reihenfolge, wie die Mitglieder des sowjetischen Politbüros auf dem Lenin-Mausoleum standen, zu erkennen glaubten, wessen Stern am Sinken oder aber am Aufgehen war.
Die Metapher ist gar nicht so weit hergeholt, denn Parteivolk wie auch Bürger bleiben doch etwas ratlos zurück, angesichts der zahlreichen Themen, die in Grevesmühlen nicht geklärt, geschweige denn angesprochen wurden: Eine wirklich tiefschürfende Analyse der jüngsten Landtagswahl und der dieser vorausgegangenen Kampagne erfolgte nicht. Ich habe wirklich viele Anwesende befragt und keiner hatte diesbezüglich etwas mitbekommen. Stattdessen machte man als Schuldige an dem schlechten Abschneiden der AfD in Mecklenburg-Vorpommern grosso modo ein paar interne Kritiker und die Omnipräsenz von Manuela Schwesig aus. Ebenso wenig wurde darüber gesprochen, wie das Dahinschmelzen der Mitgliederzahlen gestoppt und mittelfristig umgekehrt werden könnte. Wie will der Landesvorstand die Jugend für die AfD begeistern und auf diese Weise ein sich selbst generierendes Wachstum durch aktive Nachwuchsarbeit schaffen? Mit welchen Konzepten kann einer immer feindlicher gesinnten Medienlandschaft begegnet, sollen die eigenen Ideen möglichst autark unters Volk gebracht werden? Wie will man in den vorpolitischen Raum ausgreifen, die Entwicklung einer “Zivilgesellschaft von rechts” befördern? Und so weiter …
Zu all dem erfuhr die geneigte Öffentlichkeit nichts. Freilich wiederholte Leif-Erik Holm, dass man als AfD bei nächstbester Gelegenheit – also in fünf Jahren vielleicht oder erst in zehn? – endlich selbst in Schwerin mitregieren möchte, aber eine langfristig angelegte Strategie, wie dieses Ziel zu erreichen sei, fehlt völlig. So blieb es bei der servilen Bitte an die Adresse von CDU und FDP, sich doch endlich einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der AfD nicht länger zu verweigern. Na dann mal los! Offenkundig hält die blaue Führungsspitze jene Blockparteien noch immer für im Kern “bürgerliche”, bedauerlichweise jedoch auf Abwege geratene, potentielle Bündnispartner und nicht für die vorsätzlichen Totengräber der deutschen Nation. Wenigstens ist man von der Idee weg, die AfD hätte die meisten Schnittmengen mit der Linkspartei.
Schade! Doch vorderhand bleibt die AfD in Mecklenburg-Vorpommern nur mehr ein Schatten dessen, was sie bei kluger und ambitionierter Führung durchaus sein könnte. Intellektuell blutleer, ideen- und konzeptionslos sowie erschreckend unprofessionell taumelt die Partei durch eine politische Ära, da in Schwerin SPD und Kommunisten regieren, unsere kulturelle Identität weiter zerstört sowie Demokratie und Freiheitsrechte dauerhaft abgeschafft werden, mithin Deutschland insgesamt auf dem Weg zu einem “Failed State” ist und sich die nächste Völkerwanderung auf unsere Grenzen zu wälzt. Düstere Zeiten brechen an und es wachsen die Zweifel, dass die AfD jenes Licht in der Finsternis ist, für das sie immer noch Millionen Menschen halten.
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1 Kommentar zu „Erlöschendes Licht oder Flamme der Hoffnung? Eine Nachlese zum Landesparteitag der AfD in MV“
Wie immer treffend des Pudels Kern, wir wissen eins, das wir nicht wissen was wir anders machen sollen, dabei muss man nur in den Süden des Ostens schauen, da wo der Mann aus dem Westen das Zepter schwingt, wir müssen das Herr der Alphatiere entwaffnen und einig wie süß einem Guss sein streiten ja zerfleischen nein