Aus dem Landtag: Von der Ehre, ein Don Quijote zu sein

Rosinante, den ein Steinwurf zu Boden geschlagen hatte, lag neben seinem Herrn dahingestreckt. Sancho stand in seinem Wamse da und zitterte vor der heiligen Hermandad. Don Quijote aber wollte vor Unmut fast vergehen, daß ihn eben die, denen er nur Gutes getan, so mißhandelt hatten.“

Zu den Lieblingsbüchern meiner Jugend gehört „Don Quijote“ von Miguel de Cervantes. Ich hatte zu Weihnachten 1982 eine von Ludwig Tieck übersetzte und von Gerhard Goßmann wunderschön illustrierte Ausgabe des DDR-Kinderbuchverlages geschenkt bekommen, war fortan ganz fasziniert von der Geschichte dieses merkwürdigen Ritters und seines Knappen Sancho Pansa aus der zentralspanischen La Mancha. Das Buch habe ich übrigens heute noch und schaute gerade gestern wieder einmal hinein, nachdem ich von der jüngsten Sondersitzung des Landtages im Schweriner Schloß zurückgekehrt war. Dazu kam es aus folgendem Grunde:

In der Debatte um die nunmehr wegen einer angeblich hochgefährlichen Virusmutation verschärften Coronamaßnahmen, hatte ich den Regierenden vorgeworfen, nach immer neuen Gründen für eine Verstetigung der Krise zu suchen. Dabei schilderte ich die von George Orwell in seinem Roman „1984“ beschriebene Situation im fiktiven Staat Ozeanien, dessen Machthaber die totalitären Lebensumstände der Bevölkerung mit einem nicht endenden Krieg rechtfertigen, den die Nachbarländer angeblich gegen das Land führen. Im Deutschland des Jahres 2021 drängt sich nun der Eindruck auf, dass mit einer in alle Ewigkeit perpetuierten Pandemie der Ausnahmezustand sozusagen ad infinitum fortgesetzt werden soll. Ergo nach dem Virus jetzt die Mutation und dann noch eine und noch eine. Viren gibt es ja immer.

Meine literarische Analogie schien den Fraktionsvorsitzenden der SPD, Thomas Krüger, irgendwie getroffen zu haben, denn kurz darauf holte er seinerseits zu einem Vergleich aus der Romanwelt aus. Mit spöttischem Unterton beschied er der freiheitlich-patriotischen Opposition im Landtag, er würde sich bei unserem Auftreten immer an ein anderes Buch erinnern, nämlich an eben jenen „Don Quijote“ von Cervantes. Freilich meinte Krüger das abfällig, sieht wohl insbesondere den Kampf des „Ritters von der traurigen Gestalt“ gegen die Phalanx aus Windmühlen als passendes Bild für die AfD und deren Anhängerschaft. Jedoch machte der SPD-Politiker aus der Mecklenburgischen Schweiz an dieser Stelle vielmehr deutlich, dass die wahre Botschaft von „Don Quijote“ sich ihm gar nicht erschlossen hat.

Der Roman von Cervantes erzählt nur vordergründig und auf den ersten, oberflächlichen Blick die Geschichte eines verarmten Landedelmannes aus der spanischen Provinz, der sich lange nach Ende des Mittelalters zum fahrenden Ritter berufen fühlt, einen benachbarten Bauern zum Schildknappen kürt, um fortan allerlei Abenteuer zwischen der realen und einer herbeiphantasierten Welt zu erleben. Tatsächlich handelt dieses Meisterwerk der Weltliteratur vom ewigen Konflikt zwischen Idealismus und kalter Wirklichkeit. So wird dann aus der scheinbar lächerlichen Figur des Don Quijote ein Mann, der sich mit dem Zustand der Welt um sich herum nicht abfinden will. Trotz aller Rückschläge zieht er ein ums andere Mal wieder hinaus, um seine Mission zu vollenden. Während also der eine Protagonist die Welt der Ideen vertritt, nimmt Sancho Pansa die Realität wahr und vertritt sozusagen ihr Prinzip. Die zwei müssen sich immer wieder zusammenraufen und in langen Gesprächen entwickelt sich in beiden eine Freundschaft. Der Wahn Don Quijotes, seine oft tragisch erscheinende Besessenheit werden dank Sancho Pansas relativierendem Humor abgemildert, finden so eine Brücke in die Wirklichkeit. Das zeigt sich auch am äußeren Erscheinungsbild unserer Helden. Während der Ritter als hoch gewachsene aber dürre sowie durch und durch vergeistigte Person geschildert wird, tritt uns dessen Knappe als kleiner, rundlicher Mann aus dem Volke gegenüber, der körperlichen Freuden stets zugeneigt ist, vor allem leidenschaftlich gerne ißt und trinkt.

Von der Geschichte des Don Quijote können wir als freiheitlich-patriotische Opposition m. E. eine Menge lernen. Dazu gehört, sich die eigenen Ideale und Träume nicht nehmen zu lassen, auch wenn die Menschen um einen herum das unzeitgemäß oder lächerlich finden. In Cervantes‘ Roman versuchen Barbier und Dorfpfarrer den zumindest äußerlich aus der Zeit gefallenen Ritter zu kurieren, indem sie seine Bücher verbrennen und demaskieren sich damit selbst. Nachgerade spiegelbildlich gemahnen sie an die Gesinnungswächter und Meinungszensoren unserer Tage, die auslöschen wollen, was ihnen als Gefahr für eine von wem auch immer festgelegte Ordnung erscheint. Doch Don Quijote ficht das nicht an, so wie es auch uns nicht davon abhalten sollte, für jene Visionen zu kämpfen, die wir als richtig erachten.

Ferner erkennen wir die Notwendigkeit des symbiotischen Zusammenspiels von Idealismus und Realitätsverbundenheit. So wirkt die beispielsweise Björn Höcke zugeschriebene Neigung zur Nationalromantik auf große Teile der heutigen Öffentlichkeit durchaus befremdlich, hat im Kontext der Erzählung vom historischen Werden der deutschen Nation und Kultur sowie als emotionaler Attraktionspunkt gleichwohl eine klare Berechtigung. Dessen ungeachtet müssen wir uns den nüchternen Blick auf die herrschende Realität bewahren, mit der wir nolens volens umzugehen haben, wenn wir die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft meistern wollen. Beides sollte sich im Gleichgewicht halten. Ergo braucht es den Don Quijote in uns, mithin das nie erlöschende Feuer unserer Träume und Wünsche, aber ebenso den Sancho Pansa, der dafür sorgt, dass wir die Bodenhaftung nicht verlieren und lebenstauglich bleiben. Vergessen wir nicht, wie vielen Erfindern und Visionären (Kolumbus, Luther, Lilienthal) vorgeworfen wurde, dass sie verrückt seien und gegen Windmühlen kämpften. Als sie dann aber erfolgreich waren, wurden sie gefeiert. Wann sollen wir weitermachen – wann aufhören?

Es ist also keine Schande, mit Don Quijote verglichen zu werden. Ganz im Gegenteil! Er ist die literarische Gestalt gewordene Infragestellung der herrschenden Zustände. Mehr noch ist er auch Ansporn und Warnung zugleich. Sicher sollten wir uns nicht unterkriegen lassen und niemals aufgeben. Gleichzeitig aber müssen wir wachsam sein, dass uns die eigenen Ideale nicht verblenden, sie nicht zum Wahn werden, sondern realitätsbezogene Motivation bleiben. Nicht nur unser Sein gehört hinterfragt, auch unser Bewusstsein. Abschließend kehren wir noch einmal zu Herrn Krüger von der SPD zurück. Ich denke, sein Versuch, die freiheitlich-patriotischen Kräfte durch einen Vergleich mit Don Quijote lächerlich zu machen, ist ganz offenkundig nach hinten losgegangen. Vor allem zeigt es den Hochmut einer arroganten Politikerkaste gegenüber der Lebenswirklichkeit des Volkes. Die normalen Bürger müssen nämlich Tag für Tag gegen jene Windmühlen kämpfen, die ihnen von einem scheinbar übermächtigen Staat und dessen Regierung in den Weg gestellt werden. Wir sind folglich alle ein bisschen Don Quijote und dürfen stolz darauf sein.

 

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1 Kommentar zu „Aus dem Landtag: Von der Ehre, ein Don Quijote zu sein“

  1. Ich lese die Beiträge immer wieder gern. Sie zeugen von Bildung und einer wohltuenden Mischung aus einer gewissen Gelassenheit und trotz Realitätssinn bewahrten Wertvorstellungen, für die die Deutschen einmal in der Welt anerkannt waren.

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