Während die ersten beiden Teile dieser Artikelserie vermittels einiger Zahlen, Fakten und Analysen nachzuweisen versuchten, warum der Weg der politischen Mitte bzw. der sogenannten „Bürgerlichkeit“ kein Erfolg versprechendes Konzept für die AfD ist, will ich mich im letzten Teil ausführlich mit einigen Thesen und Strategien auseinandersetzen. Wie eingangs in Teil 1 dieser Serie erwähnt, bin ich kein Mitglied der AfD mehr, sondern kritischer Beobachter, der viele inhaltliche Anliegen dieser Partei unterstützt, aber die Führung in Mecklenburg-Vorpommern und im Bund auf einem Irrweg sehe.
Im ersten Teil habe ich dargelegt warum die Träume einer baldigen Regierungsübernahme zusammen mit der CDU als Koalitionspartner reine Wunschvorstellungen sind und der Schärfung eines eigenen exklusiven inhaltlichen und strategischen Profils im Wege stehen. Die CDU ist näher an jeder linken Partei von der SPD bis zu den Grünen (und auch eine Koalition mit der Linkspartei ist als Gedankenspiel selbst auf höchster Funktionärsebene bereits kein Tabu mehr) als an der AfD. Die Parteiführung rund um Angela Merkel hat die CDU bewusst für linke und urbane Zielgruppen geöffnet, erprobt bereits schwarzgrüne Koalitionen auf Landesebene.
Auch auf Deutschlandebene wird dieses Modell nach dem Herbst 2021 immer wahrscheinlicher. Die CDU ist nicht daran interessiert, einen konstruktiven Umgang mit der AfD zu finden und sie in die Organisation von stabilen Regierungsmehrheiten einzubinden. Sie will die AfD, wie das gesamte Establishment, vernichten und keinesfalls etwa mit ihr zusammenarbeiten.
Der zweite Teil hat sich mit dem soziologischen Wählermilieus auseinandergesetzt und aufgezeigt, dass die AfD und CDU nur bedingt um die gleichen Zielgruppen konkurrieren. Die Lebenswelten eines prototypischen CDU-Wählers und eines AfD-Wählers liegen zuweilen sehr weit auseinander.
Die AfD mobilisiert ihre Kernwählerschaft im Bereich der Nichtwähler, die meist Arbeiter sind oder in sozial prekären Verhältnissen leben. Angesichts durchschnittlicher Nichtwählerquoten zwischen 30% bis 45% liegt hier noch ein enormes Mobilisierungspotential verborgen, dass die AfD für sich gewinnen könnte. Angesichts der mangelnden Konkurrenzfähigkeit der CDU in Bezug auf die Milieus der Arbeiter und sozial Schwachen würden sich hier große Chancen eröffnen. Versucht man jedoch nur Inhalte und Habitus der CDU zu imitieren, werden sich die Wähler im Zweifel für das Original entscheiden und jener Partei die Stimme schenken, die bereits als etabliert gilt und ein Gefühl der Vertrautheit vermittelt. Insbesondere unter älteren Menschen ab 60 wird der Faktor des „Bekannten“ und „Vertrauten“ besonders wichtig. Genau hier liegt die alterstechnische Kernzielgruppe der CDU, während die AfD in den Altersspitzen von ganz jung bis ganz alt am wenigsten Zustimmung erhält. Ausgenommen hiervon sind jedoch insbesondere die ostdeutschen Bundesländer, in denen die AfD auch unter Jungwählern starke Ergebnisse einfährt.
Welche Thesen und strategischen Überlegungen ergeben sich nun aus diesen Erkenntnissen?
- DIE SOZIALE FRAGE Die AfD ist die Partei der Arbeiter und des ausgebeuteten Mittelstandes. Sowohl im Osten als auch im Westen wird sie überdurchschnittlich von jenen Bevölkerungsschichten gewählt, die buchstäblich den „Laden am Laufen halten“ und zugleich durch Energiewende, Corona-Hysterie, Steuern u.s.f. mit immer höheren Abgaben belastet werden. Es ist der produktive Teil unserer Bevölkerung, dessen Lebenswelt sich nicht in Debatten um Gender-Mainstreaming, Feminismus oder eine angeblich allgegenwärtige rassistische Diskriminierung wiederfindet. Der Alltag des klassischen AfD-Wählers kreist um banal erscheinende aber freilich lebenswichtige Alltagsfragen, zum Beispiel wie die nächste Stromrechnung bezahlt werden soll, ob der Arbeitsplatz trotz der wachsender Lohnkonkurrenz aus dem Ausland noch sicher ist, ob die eigene Tochter abends noch sicher auf die Straße gehen kann oder ob der Traum vom Eigenheim angesichts wachsender Bürokratiemonster in Gestalt immer neuer Umwelt- und Bauauflagen überhaupt noch realisierbar ist.Wenn dieses Milieu als Zielgruppe identifiziert ist und das auch von jenen verstanden wurde, die noch immer glauben, man müsse den Villenbesitzer im Berliner Bezirk Zehlendorf ansprechen, der sich morgens überlegt, mit welchem Porsche er am Nachmittag zum Golfplatz fahren will, dann kann eine adäquate Kommunikationsstrategie entwickelt werden, welche diese Menschen anspricht und die Bruchlinien in der Gesellschaft von freiheitlich-patriotischer Seite her zuspitzt.
- ZUSPITZUNG Die Zuspitzung der sozialen, ökonomischen und kulturellen Gegensätze wurde vom linken Establishment begonnen und muss von der AfD aufgegriffen werden. Es war die Erfolgsformel der Trump-Kampagne 2016, dass sich ihr Kandidat für keinerlei Zugeständnisse gegenüber dem Mainstream sowie den Eliten hat weichkochen lassen, sondern jede Attacke auf ihn weiter zugespitzt und somit die Konfrontationslinie deutlich wurde.Die AfD ist nach wie vor eine Oppositionspartei und muss dieses Profil auch weiterhin schärfen und mit Leben füllen. Nur so können entscheidende Exklusivmerkmale in der politischen Auseinandersetzung erhalten bleiben und die Bruchlinien in der Gesellschaft offengelegt werden. Es bedeutet nicht, sich in einem Krawallkurs als Selbstzweck festzufahren, freilich aber ein Selbstverständnis dafür zu entwickeln, dass allein die AfD bestimmt, welche politischen Ziele sie vertritt und welche Protagonisten sie repräsentieren. Weder die Medien noch die Altparteien dürfen hier durch Skandalisierung und Diffamierung indirekten Einfluss ausüben können.Zuspitzung bedeutet also sich nicht, sich an den Katzentisch des Establishments zu setzen, auf Anerkennung und Akzeptanz zu hoffen. Es bedeutet, der Kernzielgruppe treu zu bleiben und ihre Anliegen und vor allem auch Widersprüche, Unzufriedenheiten und Konfrontationen als repräsentative Kraft aufzunehmen und konsequent in den politischen Diskurs hineinzutragen. Die Rolle der AfD ist nicht nur die einer herkömmlichen Partei, die beliebig das parlamentarische Spektrum erweitert. Sie ist die Antithese zu einem bereits seit langem bestehenden gesellschaftlichen Kulturkonflikt, der mit der zunehmenden Globalisierung verstärkt und in der Gegenüberstellung der sogenannten „Somewheres“ und „Anywheres“ seinen Ausdruck findet. Eine Selbstreduzierung auf die Rolle des Juniorpartners in einer CDU-Regierung wäre eine fatale Realitätsverkennung der Stimmungslage in unserem Land.
- VORPOLITISCHER RAUM Das Zeitfenster für direkte Regierungsbeteiligungen liegt nicht innerhalb der kommenden 4 bis 5 Jahre, sondern bedarf vernünftiger Vorbereitungen, um eine breite gesellschaftliche Akzeptanz zu erlangen. Dieser Weg kann nur über ein metapolitisches Vorfeld führen. Noch immer sehen viele AfD-Funktionäre die Eroberung der Parlamente als einzige Säule für politische Veränderungen. Doch ein demokratisches Engagement geht darüber hinaus und die Vergangenheit lehrt uns, dass freiheitlich-patriotische und rechtskonservative Parteien ohne ein metapolitisches Vorfeld zwar durchaus Wahlmehrheiten organisieren, aber keine fundamentalen Veränderungen herbeiführen, geschweige denn das gesellschaftliche Klima, mithin den Zeitgeist nachhaltig verändern können.Der Ibiza-Skandal ist jedem noch in Erinnerung. Damals wurde der seinerzeitige FPÖ-Obmann und österreichische Vizekanzler H.C. Strache vermittels einer von linken Medien und NGO‘s perfekt orchestrierten Kampagne zu Fall gebracht. Der Front National (heute Rassemblement National) kann in Frankreich bis heute ebenfalls keine nennenswerten Publikationen, Medien oder gar Denkfabriken vorweisen, ist hier gleichwohl dennoch schon weiter als die AfD in Deutschland. Selbst Donald Trump, dessen Sieg auch durch alternative Nachrichtenseiten wie Breitbart und im weiteren Sinne durch konservative Sender wie Fox News begünstigt wurde, konnte im Verlauf seiner bisherigen Präsidentschaft kein wirksames Gegengewicht zum Tiefen Staat und seiner gewaltigen Macht über die öffentliche Meinung entwickeln. Es gibt zwar ein wachsendes Misstrauen gegenüber den etablierten Medien sowie den Ingenieuren der öffentlichen Meinung, doch kaum relevante Alternativen, die sich mit den großen Akteuren messen könnten. Hier liegt eines der größten Defizite des freiheitlich-patriotischen Lagers, welches leider auch von der AfD schmerzlich vernachlässigt wird.Deren Selbstgenügsamkeit, sich lediglich als Parlamentspartei zu profilieren, ist getragen von einer klassischen konservativen Naivität, die stets eine scharfe Trennlinie zwischen dem administrativen Apparat um Regierung, Justiz, Polizei, Parlament und den gesellschaftlichen Kulturinstitutionen und Moralvorstellungen zieht. Diese Trennlinie gibt es jedoch spätestens seit 1968, wenn nicht gar seit dem Beginn des Zeitalters der Massenbewegungen nicht mehr. Die linke Kulturrevolution hat unmittelbaren Einfluss auf die Kerninstitutionen des Staates genommen und vermittels ihres „langen Marsches“ durch eben jene einen unvergleichbaren Transformationsprozess in Gang gesetzt. Die herrschende Moral sowie die reine Architektur der Macht im Staate sind schon lange miteinander verschmolzen. Politische Führung auf den Grundlagen von Recht und Gesetz alleine reicht nicht mehr aus, sondern wird mit linken Moralvorstellungen von Weltoffenheit, Antidiskriminierung und politischer Korrektheit angereichert.Dieses Netzwerk auf Seiten der Linken und Globalisten zu entwirren und schlussendlich auch auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen, ist eine Herkulesaufgabe, die das freiheitlich-patriotische Lager definitiv während der nächsten 10 bis 15 Jahre in Anspruch nehmen und mit enormen Ressourcenaufwendungen verbunden sein wird. Was fürderhin jedoch als Erkenntnis reifen muss, ist die Tatsache, dass parlamentarische Mehrheiten alleine nicht ausreichen werden für politischen Gestaltungsfreiraum. Politische Macht operiert immer in einer Sphäre, worin sich verschiedene Akteure aus Regierung, Parlament sowie dem Kulturbetrieb, den Medien und dem Bildungswesen gegenseitig ergänzen. Dieses Verständnis von den Verflechtungen der metapolitischen Machtzentren mit den ausführenden Organen des Staates wäre die wichtigste Voraussetzung für eine wirksame Strategieentwicklung in der AfD.
Fazit:
Trotz ihrer momentan desolaten Lage bleibt die AfD das Gravitationsfeld des freiheitlich-patriotischen Lagers, um das herum viele weitere Akteure kreisen. Sie bleibt zugleich der Indikator und Hoffnungsanker für die Mobilisierungsfähigkeit einer kritischen Masse mit freiheitlich-patriotischen Zielen. Ich kann mit dieser dreiteiligen Analyse gewiss nicht alle Fragen abschließend klären, die den strategischen Kurs der AfD für die kommenden Jahre betreffen. Dennoch hoffe ich auf einen Impuls und eine Diskussionsgrundlage, die zumindest von den Basismitgliedern aufgenommen wird und zum Nachdenken und Handeln animiert.