Merkel muss weg! Dieser Slogan hat seit ihrer Gründung die Identität der AfD maßgeblich mitgeprägt. Egal ob Eurorettung, Flüchtlingskrise oder die verkorkste Umwelt- und Wirtschaftspolitik: Merkel war stets in Regierungsverantwortung und hat dieses Land sukzessive näher an den Rand des Abgrundes getrieben. Und während alle diese Krisen aktuell ihren Kulminationspunkt finden (heraufziehende Wirtschaftskrise, angespannte Lage an der griechischen Grenze und Corona selbst), kann die größte deutsche Oppositionspartei aktuell kein politisches Land gewinnen. Stattdessen debattiert man einmal mehr über den richtigen Kurs, der künftig eingeschlagen werden soll, um das mögliche Wählerpotential zwischen 20-25% endlich ausschöpfen zu können. Mit 9% in der aktuellen Umfrage ist man davon freilich noch weit entfernt.
Die Konfliktspirale
An gegenseitigen Schuldzuweisungen mangelt es in der AfD jedenfalls nicht. Sogenannte gemäßigte Kreise um Protagonisten wie den Berliner Vorsitzenden Georg Pazderski oder der rheinland-pfälzische Fraktionschef Uwe Junge haben den „Flügel“ und dessen Galionsfigur Björn Höcke schon lange für die Blockade zum Durchbruch der avisierten 20% plus verantwortlich gemacht. AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen hat schließlich inmitten dieser Krise den Vorschlag eingebracht, die AfD in zwei Schwesterparteien in Ost und West aufzuspalten, um für jede Zielgruppe eine angemessene Ansprache zu finden.
In einem Interview mit dem Magazin „Tichys Einblick“ stellt Meuthen explizit auf vermeintliche inhaltliche Unterschiede zwischen den Ost- und Westverbänden ab. Als Beispiel wird dafür vor allem der Strohmann des Rentenkonzeptes angeführt, wobei allein dies noch kein Grund für eine Parteiaufspaltung sein dürfte. Tatsächlich fallen Meuthens Beispiele eher mager aus und dienen nur als Vorwand für einen allgemeinen destruktiven Geist, der in dieser Partei immer wieder zum Vorschein kommt. Oftmals wissen die „Flügel“-Kritiker um Uwe Junge, Georg Pazderski, Jörg Meuthen & Co. nicht einmal, welche inhaltlichen Forderungen ein Björn Höcke aufgestellt hat, die mit dem Parteiprogramm inkompatibel wären. Es geht teilweise nur noch um den Auftritt und die Performance bei einer gleichzeitig laufenden Destruktivitätsspirale, um sich im innerparteilichen Machtkampf durchzusetzen.
Auch die neuerliche Auflösung des „Flügels“ sowie die Forderungen und Debatten einer Trennung in zwei verschiedene Alternativen für Deutschland haben nur eine schwache inhaltliche Grundlage. Wenn sich innerhalb der Partei über die ungenügenden Wahlergebnisse in den westlichen Bundesländern beschwert wird, dann muss stets und ständig der „Flügel“ als Sündenbock herhalten. Nun hofft man auf einen langsamen Frieden, nachdem dieser das Einstellen seiner Aktivitäten verkündet und Meuthen selbst auch keine Mehrheiten für seinen Spaltungsvorschlag bezüglich einer Ost- und West-AfD gefunden hat.
Zukunftskonzepte? Fehlanzeige!
Die aktuell schwachen Umfragen haben vielfältige Gründe. Einerseits sind derartige Krisenzeiten die Stunden jener Parteien, die die Exekutivorgane in der Hand haben. Die Menschen wollen unmittelbare Lösungen haben. Dadurch ist auch die mediale Präsenz deutlich zurückgegangen. Doch alle diese Faktoren können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die AfD es in den letzten Jahre tatsächlich versäumt hat wirksame Zukunftskonzepte zu entwickeln, vermittels derer man auch in der Coronakrise inhaltliche Akzente setzen könnte. Wenn Meuthen inhaltliche Differenzen zwischen dem „Flügel“ und dem Rest der Partei sieht, dann fragt man sich unweigerlich, was er damit konkret meint?
Digitalisierung
Wahrscheinlich gibt es kein Thema, welches sich in der Zukunft derart stark auf das unmittelbare Leben der Menschen auswirken wird. Die Digitalisierung ist kein abstraktes politisches Feld, welches nur kleine Nischen betrifft. Durch alle Altersklassen und sozialen Schichten erleben wir einen Prozess, der unser Leben massiv transformiert und verändern wird. Was hat die AfD zu solchen Themen wie Datenschutz, Künstliche Intelligenz, digitale Verwaltung, digitale Plattformökonomie oder E-Government vorzuweisen? Allein die Forderung nach einem stärkeren Breitbandausbau ist inzwischen nur noch ein billiger Allgemeinplatz, welcher der eigentlichen Dimension dieser Zukunftsfragen nicht gerecht wird.
Umweltpolitik
Trotz Klimawahn und Greta-Hype wird die AfD nicht umhin kommen, eine eigene zukunftsfähige Umweltpolitik zu formulieren, die sich auch mit globalisierungskritischen Aspekten der Selbstversorgung, mit Konsumkritik und dem konservativen „Maßhalten“ auseinandersetzt. Nischendiskussionen über den tatsächlichen Einfluss von CO2 auf den Klimawandel müssen endlich beendet werden. Wer für die Zukunft gewappnet sein will, braucht hier deutlich tiefere Akzente.
Demographie
Neben der massiven ethnischen Verschiebung, die in den kommenden Jahren droht, wird die deutsche Gesellschaft auch zunehmend älter. Diese Entwicklung wird allenthalben derart massive Einschnitte in die Sozialversicherungssysteme, den Gesundheitssektor und die Arbeitswelt mit sich bringen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. In meiner Heimat Mecklenburg-Vorpommern ist diese demographische Bombe bereits eingeschlagen. Doch wo sind die Konzepte der AfD zur Attraktivitätssteigerung des ländlichen Raumes? Wie will man auf die massiven kommenden Asymmetrien zwischen Renten- und Pensionsempfängern und jenen, die in diese Systeme einzahlen, reagieren?
Ausblick
Die AfD hat ein Grundsatzprogramm, Parteileitlinien, Fachausschüsse und Fachpolitiker, die zu all diesen Themenschwerpunkten bereits Positionen kommuniziert haben. Doch wo ist die parteinahe Stiftung, die hier mit zahlreichen Intellektuellen im Kampagnenmodus eigene Akzente setzt? Wo sind die dazugehörigen Vorträge, Publikationen und eine generelle Strategie für ein authentisches und wirksames Agenda-Setting? In kommenden Artikeln auf meiner Website und Videos auf meinem YouTube-Kanal werde ich mich intensiver mit den genannten Themen wie Digitalisierung, Umweltpolitik und Demographie auseinandersetzen. Damit möchte ich einen konstruktiven Beitrag zu dringend notwendigen Diskursen innerhalb unserer Gesellschaft leisten.