Verbrechen des Kommunismus: 70 Jahre Pitești-Experiment

An der SPD-Spitze wird in nächster Zeit wohl eine Frau stehen, von der die Aussage stammt: „Wer Sozialismus negativ verwendet, hat halt einfach keine Ahnung.“ Im Zürcher Tages-Anzeiger war unlängst allen Ernstes zu lesen, dass der Sozialismus ein Vorbild für die Schweiz sein müsse. Die Frauen im Ostblock seien nämlich sehr viel freier gewesen und hätten sogar besseren Sex gehabt als jene im Westen. Schließlich durfte die deutsche Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen noch darüber staunen, dass die Berliner Zeitung von einem früheren Stasi-Mitarbeiter gekauft worden ist, der das Blatt indes prompt dafür nutzt, die SED-Diktatur schönzureden, deren Verbrechen zu verharmlosen und Honecker-Nachfolger Egon Krenz zum eigentlichen Helden der friedlichen Revolution im Herbst 1989 umzulügen. Fazit: Unter dem Motto ‚Es war nicht alles schlecht‘ wird 30 Jahre nach dem vorläufigen Ende des Kommunismus in Europa die Gesellschaft weltanschaulich fit gemacht für einen neuerlichen Großversuch in Sachen praktische Umsetzung des Marxismus-Leninismus.

Angesichts dieser unguten Entwicklung muss alles getan werden, die perfide Propagandastrategie der europäischen Linken zu durchkreuzen, indem immer wieder über die Gräueltaten während der jahrzehntelangen kommunistischen Gewaltherrschaft aufgeklärt wird. Wir dürfen nicht zulassen, dass man die Geschichte umschreibt, beschönigt, manipuliert und damit unzählige Opfer ein zweites Mal tötet. Aus diesem Grunde muss die Erinnerung lebendig bleiben. Denn während man zum Zwecke des Machterhalts der gegenwärtig herrschenden Eliten die unbestreitbar enorm wichtige Aufarbeitung der Verbrechen des NS-Regimes in einen quasireligiösen Schuldkult übersteigert, wird das Gedenken an die Opfer der roten Sozialisten vernachlässigt, ja bewusst untergraben. Im richtigen Maße ist beides wichtig, denn für den Umgekommenen macht es letztlich keinen Unterschied, ob sein Mörder einen SS-Rock trug, die Uniform des NKWD oder der rumänischen Securitate. Um letztere soll es nachfolgend gehen.

Vor 70 Jahren, am 6. Dezember 1949, begann in Rumänien das sogenannte Pitești-Experiment, benannt nach der Stadt, in welcher sich eines der fürchterlichsten Gefängnisse des seinerzeit herrschenden kommunistischen Regimes befand. Das Experiment dauerte rund zwei Jahre und war hinsichtlich seiner unfassbaren Grausamkeit selbst im damaligen Ostblock beispiellos. Im Kern ging es darum, eine Methode zu entwickeln, um politisch Andersdenkende möglichst effektiv und vor allem dauerhaft im Sinne des Systems umzuerziehen. Es ging um die Erschaffung des Neuen Menschen durch Folter. Dazu teilte man die Gefangenen – in der Regel waren es Studenten – in zwei Gruppen ein. Die eine bestand aus Oppositionellen und die andere aus Häftlingen, die sich der Geheimpolizei Securitate bereits angedient hatten und als weltanschaulich gefestigt galten. Letztere Gruppe musste sich zunächst und lediglich zum Schein mit den noch renitenten Probanden anfreunden. Dann begann unverhofft ein inszenierter Streit, welcher mit brutalsten Misshandlungen der einen Gruppe durch die regimetreuen Häftlinge endete. Jetzt begann das eigentliche Umerziehungsprogramm, welches in vier Stufen eingeteilt war.

Im ersten Schritt der „Äußeren Demaskierung“ (demascarea externă) mussten die Gefangenen ihre Loyalität gegenüber dem Staat beweisen, indem sie alles preisgaben, was sie in den Verhören gegenüber dem Geheimdienst verschwiegen hatten. Dabei mussten sie über alle jemals tatsächlich oder auch nur gedanklich begangenen Vergehen berichten. Im zweiten Schritt der „Inneren Demaskierung“ (demascarea internă) hatte der Gefangene diejenigen Mithäftlinge und Gefängnismitarbeiter zu denunzieren, die ihm gegenüber freundlich oder nachsichtig aufgetreten waren. In den weiteren Schritten sollten die Persönlichkeit des Gefangenen und sein moralisches Grundgerüst zerstört werden. Die dritte Stufe der „Demaskierung der öffentlichen Moral“ (demascarea morală publică) bestand für den Gefangenen darin, allem abzuschwören, was ihm bisher etwas bedeutete: seiner Familie, seinem Glauben, seinen Freunden und am Ende sich selbst. Die Verleugnung der eigenen Identität wurde schließlich soweit getrieben, dass man die Häftlinge zwang, eine Art Autobiographie zu schreiben, in der sie sich selbst verschiedenster sexueller Abnormitäten bezichtigten. Dies sollte im Probanden das Gefühl moralischer Dekadenz erzeugen und sein Wertesystem zerstören. Der Häftling hatte bei sich selbst einen „Mangel an innerem Charakter“, moralische Perversionen und Geisteskrankheiten zu diagnostizieren, die ihn im Ergebnis unempfänglich für die Ideen des Kommunismus gemacht hätten.

Im letzten Schritt musste der Gefangene den erfolgreichen Verlauf seiner Umerziehung unter Beweis stellen, indem er nun andere Insassen den gleichen Qualen unterzog, die er zuvor am eigenen Leibe hatte durchleiden müssen. Versagte er, ging die ganze Prozedur für ihn von vorne los. Das wiederum trieb den so vom Opfer zum Täter gewordenen Häftling zu den schlimmsten Grausamkeiten an, wollte er doch um jeden Preis erfolgreich sein und auf diese Weise neuerlichen Folterungen entgehen. Das Pitești-Experiment war eine diabolische Mischung aus körperlichen und seelischen Misshandlungen, die perfiderweise nicht von den Beamten der Geheimpolizei, sondern von den Gefangenen untereinander verübt wurden, wobei man streng darauf achtete, dass Täter und Opfer zuvor möglichst eng befreundet gewesen waren. Besonders schlimm wurden Theologiestudenten behandelt. Neben ständigen Prügeln und Schlafentzug wurden sie an Sonn- und kirchlichen Feiertagen schon mal „zum Spaß“ auf dem Gefängnishof gekreuzigt oder mussten die Exkremente ihrer Mithäftlinge als „Abendmahl“ einnehmen. Im Laufe der Zeit weitete man das Experiment auch auf andere Gefängnisse aus mit insgesamt mehreren tausend Opfern. Viele starben an den Folgen der Umerziehung oder nahmen sich aus Verzweiflung das Leben. Im Dezember 1951 übernahm in Bukarest eine neue Parteiführung die Macht und beendete die grauenvollen Vorgänge, denn das Land strebte in die UN. Erst in den 1960er Jahren wurden einige der Häftlinge, die sich an den Folterungen beteiligt hatten, sozusagen als Bauernopfer in Schauprozessen abgeurteilt. Die wahren Täter hat man für ihre Verbrechen freilich nie zur Verantwortung gezogen.

Das Pitești-Experiment ist außerhalb Rumäniens kaum bekannt. Von den kommunistischen Machthabern wurde es beharrlich totgeschwiegen. Immerhin erinnert inzwischen ein Denkmal am ehemaligen Standort des berüchtigten Zuchthauses an die darin verübten Verbrechen. Dennoch sind nur wenige Häftlinge, die den Horror körperlich weitgehend unversehrt überlebten, an die Öffentlichkeit gegangen. Vielmehr trugen sie sich mit Selbstvorwürfen, weil sie sich zur Mittäterschaft hatten zwingen lassen. Gleichwohl war das Programm freilich so niederträchtig angelegt, dass ein Entrinnen praktisch unmöglich war und jeder Betroffene, der nicht durch die Misshandlungen starb oder Selbstmord verüben konnte, seinen Widerstand früher oder später aufgeben musste. Das Pitești-Experiment steht trotz seiner selbst im totalitären Ostblock wahrscheinlich singulären Grausamkeit exemplarisch für die Entgrenzung von ideologischen Systemen und deren Bereitschaft, vor nichts zurückzuschrecken, um die Menschen zu ihrem vermeintlichen Glück zu zwingen. Am Ende gilt das Diktum von Karl Popper: „Der Versuch, den Himmel auf Erden einzurichten, erzeugt stets die Hölle.“

 

Unterstützen Sie die Bildungs- und Beratungsarbeit im Torhaus Güstrow. Vielen Dank!





Wir sollten in Kontakt bleiben! Jetzt Newsletter abonnieren!

Teilen Sie diesen Beitrag:

1 Kommentar zu „Verbrechen des Kommunismus: 70 Jahre Pitești-Experiment“

  1. Ein erschütternder Beitrag. Ich frage mich immer, wie die Linken und ein nicht unerheblicher Teil der Gesellschaft dazu kommen, zu glauben, der rote Sozialismus sei besser als der braune. Ob Nationalsozialismus oder Internationalsozialismus – am Ende gibt es stets Millionen Tote.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert