Deutsche Sommerlochdebatten

Ein kluger Mann nannte die Steigerung von Sommerloch einmal Sommerlöcher und dann „sommerlächerlich“. Gleichwohl ist es kaum noch zum lachen, was sich seit einiger Zeit in Deutschland abspielt und seinen Ausdruck in Debatten findet, die bei unseren europäischen Nachbarn und darüber hinaus nur noch Kopfschütteln verursachen dürften.

I.

Unlängst forderte die Bundesvorsitzende der Grünen Jugend, also der Nachwuchsorganisation jener Partei, die von den Medien gerade massiv hochgejazzt wird als angeblich neue bürgerliche Alternative, man müsse doch auch sämtliche „Klimaflüchtlinge“ in Europa aufnehmen. Schließlich seien es „die Länder der Europäischen Union, die durch eine verantwortungslose Energie-, Wirtschafts- und Agrarpolitik zur menschengemachten Klimakatastrophe beigetragen haben“. Sekundiert wird die grüne Nachwuchshoffnung von Katrin Göring-Eckardt, die dann auch gleich eine Einführung zusätzlicher Fluchtgründe anregte. Da bin ich freilich ganz bei ihr und habe auch schon eine Idee. Wie wäre es mit „Flucht vor den Folgen linker Politik“?

Ich denke da an mehr als 2 Millionen Venezolaner, die in den letzten Jahren aus Hunger und Verzweiflung oder als politisch Verfolgte ihre Heimat verlassen haben. Für das nackte Überleben ihrer Familien nehmen viele der 31 Millionen Einwohner des lateinamerikanischen Staates jede noch so schlechte Arbeit an, betteln oder prostituieren sich. Venezuela ist ein entsetzliches Beispiel dafür, was mit einem im Grunde steinreichen Land geschieht, wenn es in die Hände einer linken Regierung fällt. Trotz der zweitgrößten Erdölvorkommen der Welt haben die Autokraten Hugo Chávez und Nicolás Maduro eine einst blühende Demokratie in ein Armenhaus verwandelt. Einzige Profiteure sind, wie stets im Sozialismus, die Angehörigen einer Nomenklatura aus Funktionären in Politik und Staatswirtschaft. Diese „Boliburguesía“ hat Venezuela in den vergangenen zwanzig Jahren massiv ausgeplündert und Milliarden Dollar ins Ausland geschafft. Von den europäischen Linken als „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ gefeiert, ist der sogenannte Chavismus in Wirklichkeit eine faschistoide Raubdiktatur, die es zu verantworten hat, dass ein vormals reicher Ölstaat durch kriminelle Umverteilung zum Krisenschauplatz wurde.

Wahrscheinlich wird „Flucht vor den Folgen linker Politik“ in der Bundesrepublik nie als Fluchtgrund anerkannt werden. Dies schon allein deswegen nicht, weil die CDU demnächst mit einer Partei koalieren könnte, die zu den eifrigsten Unterstützern des verbrecherischen Regimes in Caracas gehört. Auf ihrem Parteitag in Hannover 2017 verabschiedete die Ex-SED eine Solidaritätsadresse in Richtung ihrer Genossen in Venezuela und wusste auch gleich, wer Schuld ist an den dortigen katastrophalen Zuständen: das kapitalistische Ausland, die Bourgeoise und die renitente Opposition. Millionenfaches Elend interessiert natürlich nicht, wenn es um die Realisierung linker Wahnideen geht. Stalin und Mao lassen grüßen. Was Deutschland angeht, kann ein Blick nach Venezuela allenthalben nicht schaden, um eine Ahnung zu vermitteln, was uns hier möglicherweise noch bevorsteht.

II.

Die CDU will in den kommenden Jahren über die Einführung eines Pflichtdienstes diskutieren, der auch die Wiederaufnahme der Wehrpflicht beinhalten soll. Wir können davon ausgehen, dass es den Initiatoren dieser merkwürdigen Debatte nicht im Entferntesten darum geht, ein solches Projekt tatsächlich umzusetzen. Vielmehr wollte die Clique um Angela Merkel den letzten in der Korona der CDU verbliebenen Konservativen ein kleines Leckerli hinwerfen, an dem sie während des Sommerlochs ein bisschen herumnagen dürfen. Folgerichtig jubilierte der vorpommersche CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor: „Es ist ein wichtiger Wert und Ausdruck pflichtbewusster Staatsbürgerlichkeit, seinem Land zu dienen.“ Das klingt schon deshalb amüsant, weil jemand wie Amthor einen halbwegs ordentlichen Wehrdienst, wie er mir zu Beginn der 1990er Jahre bei der Luftwaffe noch zuteil geworden ist, keine zwei Wochen überleben würde. Es klingt aber auch völlig unglaubwürdig, wenn man die parallel dazu laufende Debatte über eine Koalition von CDU und Ex-SED mit in den Blick nimmt.

Das Kernproblem bei der möglichen Einführung einer Dienstpflicht wäre allerdings ein ganz anderes, nämlich die Frage: Wem dient man da eigentlich? Wer verlangt da ein solches Opfer und wofür? Schlussendlich werden in diesem Zusammenhang ja Dinge berührt, die über rein politische, ökonomische oder technische Erwägungen hinaus auch eine metaphysische Ebene erreichen. Der zum Opfer, auch zur Hingabe des eigenen Lebens, bereite Dienst vollzieht sich gegenüber einem ideellen und/oder materiellen Wert, der größer ist als man selbst und daher das Opfer rechtfertigt. Wie will die Bundesrepublik jenen, denen ihre Eliten derlei Opferbereitschaft abverlangen, solche Werte bieten, wenn dieselben Eliten unentwegt alles verächtlich machen, negieren oder gar kriminalisieren, das eine solche Opferbereitschaft überhaupt erst begründen könnte?

Wer das Baltikum, Osteuropa oder den Kaukasus bereist, trifft auf Völker, die lange unter unter fremder Herrschaft standen. Für Esten, Letten und Litauer, für Georgier und Armenier, für Ungarn, Polen, Tschechen, Slowaken und viele andere ist der Fortbestand als Volk in Freiheit und Selbstbestimmung eben jener Wert, der die Angehörigen dieser Ethnien durch die Jahrhunderte hinweg für uns heute unvorstellbare Opfer bringen ließ. Die Liebe zum Eigenen, zum Volke, dem man als ein Kettenglied zwischen den Ahnen einerseits und nachfolgenden Generationen andererseits angehört, ist jener sich aller Rationalität entziehende Wert, der allein als akzeptable Begründung für eine wie auch immer geartete Dienstpflicht zu betrachten wäre. Als ich einmal die kaukasische Region Bergkarabach bereiste fand ich im Eingangsbereich vieler Schulen eine große Tafel mit den Porträts bedeutender Helden aus der Geschichte jenes Volkes, das ethnisch den Armeniern zugehörig ist. Einmal stand ein weißhaariger alter Mann vor einer solchen Tafel und erzählte seinem staunenden Enkel von den Vorfahren und ihren heroischen Kämpfen in einer höchst wechselvollen Vergangenheit. Auf diese Weise werden durch die Generationen jene Traditionslinien aufrecht erhalten, die das Lebenselixier eines jeden intakten Volkes sind.

Nichts davon, nicht einmal eine Idee von sich selbst, hat Deutschland zu bieten. Im Gegenteil! Noch in der Rechtfertigung einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Frauen und Männer negiert die CDU dessen ideelle Voraussetzungen, wenn deren Familienpolitiker Marcus Weinberg sagt: „Gerade in unserer heutigen Zeit, in der sich extremistische Strömungen auch unter jüngeren Menschen rasant verbreiten, ist ein solcher Dienst ein starkes Zeichen für den gemeinsamen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.“ Der Kampf gegen Rechts, der ja nichts anderes ist als ein Kampf gegen den Patriotismus und somit gegen das eigene Volk, soll also das Fundament einer künftigen Dienstpflicht sein. Bizarrer geht es kaum!

So wäre jene Dienstpflicht nicht mehr als ein Frondienst für eine ruchlose politische Elite, die als Folge ihrer gescheiterten wahnwitzigen Gesellschaftsexperimente die eigenen Untertanen immer mehr auspresst, gleichzeitig deren Sicherheit genauso wenig garantieren kann wie eine halbwegs intakte Infrastruktur, die Bürger im Grunde auch verachtet wie das Land an sich und sie nun im Niedergang noch zu Aufräumarbeiten zwangsverpflichten will. Für all das gibt es nur eine passende Antwort, nämlich jenen Satz, mit dem Sachsens letzter König Friedrich August III. im November 1918 seine Abdankung quittierte: “Macht euern Dreck alleene!” – oder AfD wählen!

 

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1 Kommentar zu „Deutsche Sommerlochdebatten“

  1. Da brauchen wir doch gar nicht nach Venezuela schauen. Deutschland ist doch auf demselben Weg. Energiewende, angeblicher Dieselskandal, Unternehmerfeindlichkeit, extrem hohe Steuerlast, Digitalisierung verpennt usw. Wir erleben doch gerade am eigenen Leibe, wie ein wirtschaftlich bisher erfolgreiches Land gezielt an die Wand gefahren wird. Noch scheint ja alles ganz gut zu laufen, aber das böse Erwachen kommt noch früh genug. Von der AfD kommt diesbezüglich leider auch nicht viel.

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