Neuers bunte Binde oder wie die AfD eine Chance verpasste

Wenn man Uwe Junge, ehemals Landesvorsitzender der AfD in Rheinland-Pfalz, wohl wollte, dann würde man ihm unterstellen, er habe nach ein paar Bier zu viel seinem Ärger über die politische Instrumentalisierung des Sports auf etwas arg plumpe Weise Luft gemacht. Via Twitter schmähte er nämlich die regenbogenfarbene Kapitänsbinde von Manuel Neuer als „Schwuchtelbinde“ und wetterte über die Kniefälle hellhäutiger Spieler zu Füßen ihrer schwarzen Kollegen vor dem Anpfiff.

Jedenfalls war toute l’Allemagne in heller Aufregung über die “homophobe Hetze” des früheren Bundeswehroffiziers Junge und eins ums andere Mal wurde gebetsmühlenartig verkündet, dass der Fußball weltoffen, bunt und vielfältig sei. Weil das so sein soll, durfte sich nicht wiederholen, was in früheren Jahren den Verdruss der politischen und medialen Eliten hervorgerufen hatte, nämlich ein kurzzeitiges Erwachen des deutschen Patriotismus während sportlicher Großereignisse wie eben so einer Fußball-EM.

Also Regenbogen statt Schwarzrotgold. Keine Deutschlandwimpel mehr an den Autos oder ähnliche Requisiten des dumpfen Nationalismus, die dann von der Antifa mühsam entfernt werden müssen, auf das die Begeisterung der Deutschen für die eigene Heimat nicht überborden möge. Passend dazu firmiert unsere Nationalmannschaft indes nur noch als “Die Mannschaft” und schießt ihre (Eigen-)Tore für Schland.

Derlei hat Uwe Junge wohl gehörig in Harnisch gebracht. Alice Weidel, Spitzenkandidatin der AfD für die Bundestagswahl im Herbst, konnte darob ihr Glück kaum fassen. Endlich ein Vorfall, der ablenken würde von obskuren Finanzgebaren ihrerseits mit Strafzahlungen von mehreren hunderttausend Euro. Prompt forderte sie Junges Parteiausschluss und gratulierte “Der Mannschaft” zum Sieg, denn das sei nicht die AfD. Mit “das” war die “Schwuchtelbinde” gemeint.

Nun muss man wissen, dass Uwe Junge seit Jahren mit Weidel über Kreuz liegt und sich als Wortführer jener hervorgetan hat, die in der Partei finstere Kräfte am Werke sehen, mit deren Idealbild von der AfD man in Westdeutschland sozusagen keinen Blumentopf gewinnen könne. Und jetzt sein Fauxpas, der so gar nicht nach bürgerlich-gemäßigt klingt. Gehässige Schadenfreude folgte auf dem Fuße aber nicht nur.

Auch die Verwirrung ist groß. Plötzlich hat ausgerechnet Uwe Junge aus seinem Herzen keine Mödergrube gemacht und ausgesprochen, was nicht wenigen irgendwie auf der Zunge liegt, angesichts von all dem LGBTQ-Gedöns mit Sport nur noch als Beiwerk, als Vehikel für identitätspolitische Propaganda. Alice Weidel hingegen fand sich justament in der Rolle der sich an eben jenen Zeitgeist anbiedernden Opportunistin wieder.

“Das ist nicht die AfD!” dekretierte Weidel und umschmeichelte dem Jogi seine Jungs mit artigen Glückwünschen zum Sieg gegen Portugal. Was aber ist denn die AfD? Das ließ Weidel vorderhand offen. Und hier liegt das Problem. Anstatt der Versuchung nachzugeben, den verbalen Ausfall eines parteiinternen Widersachers für die üblichen Machtspielchen in Dienst zu nehmen, hätte Weidel die Empörung des Establishments nutzen sollen, um ihren politischen Gegner zu attackieren.

Wir alle haben schon von diesen mystischen fernöstlichen Kampfkünsten gehört, deren Geheimnis darin besteht, die Angriffsenergie des Gegners gegen ihn selbst zu wenden. Es heißt, so könne man selbst körperlich überlegene Kontrahenten besiegen. Das funktioniert freilich auch in der Politik auf gewisse Weise. Wird man attackiert, sollte die Reaktion nicht in der zwanghaften Verteidigung bestehen, sondern im sofortigen Gegenangriff, bei welchem man die Vorwürfe der anderen Seite wider sie wendet.

Stattdessen hat Frau Weidel mitten im Wahlkampf den Parteiausschluss eines durchaus prominenten aber streitbaren Mitgliedes angekündigt, als läge dies in ihren Händen und nicht in denen eines Schiedsgerichts. Überhaupt handhabt man in der AfD die Ordnungsmaßnahme des Parteiausschlusses in einer derartig inflationären Weise, als gäbe es für jeden Rauswurf einen Obolus vom Staat.

Richtiger wäre es gewesen, Uwe Junges Wortwahl zu tadeln aber seine Kritik inhaltlich aufzugreifen und sich zu eigen zu machen. Damit hätte man ihn einbinden und nach außen demonstrieren können, dass die Geschlossenheit der Partei über kleinlichen Scharmützeln zwischen einzelnen Protagonisten steht. Vor allem aber hätte die AfD die Chance nutzen können, um eine breite gesellschaftliche Diskussion über den Missbrauch des Sports für politische Zwecke anzuzetteln.

Damit hätte die AfD aufgreifen können, was viele Deutsche tatsächlich umtreibt. Die jüngst veröffentlichte Allensbach-Umfrage zum Thema Meinungsfreiheit ergab nämlich auch, dass die Mehrheit der Bürger unseres Landes die sogenannte Cancel-Culture, den ostentativen Antirassismus, die Gendersprache und überhaupt die ganze politisch-korrekte Gängelei mehr oder weniger ablehnt. Über 50 Prozent der Befragten hielten es beispielsweise für übertrieben, wenn ein ehemaliger Nationalspieler seinen Job verliert, weil er einen dunkelhäutigen Fernsehexperten als “Quotenschwarzen” bezeichnete.

Fazit: So verpuffte eine hervorragende Gelegenheit, den deutschen Moralaposteln den Spiegel vorzuhalten und eine notwendige Debatte aufzunötigen. Dazu hätte auch gehört, die Verlogenheit eben jener Kreise zu entlarven, die nur dann mit Regenbogenfahnen wedeln, wenn es nichts kostet. Sich an Ungarn und dessen Familienpolitik abzuarbeiten ist wohlfeil. Wir werden sehen, wo die bunten Armbinden sind, wenn es nächstes Jahr zur Fußball-WM nach Katar geht. In dem Golfemirat ist Homosexualität nämlich streng verboten.

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