Gute Zeiten, schlechte Zeiten – Was wird aus der AfD in Mecklenburg-Vorpommern?

Die AfD in Mecklenburg-Vorpommern leidet an Stagnation und innerer Zerstrittenheit. Die Führung unter Leif-Erik Holm reagiert indes hilflos und repressiv, wirkt ziellos und ausgebrannt. Wird es am bevorstehenden Wochenende auf dem Landesparteitag in Kemnitz wirklich krachen, wie die Presse vorhersagt?

Am Wochenende wird die AfD in Mecklenburg-Vorpommern ihre Spitzen- und Listenkandidaten für Landtags- sowie Bundestagswahl küren. Der dafür nötige Parteitag findet am östlichsten Ende des Landes statt: im vorpommerschen Dorf Kemnitz und noch dazu in einem Zelt. Trotz alternativer Tagungsorte wollte der Landesvorstand unbedingt diesen, lässt sich den Spaß knapp 100.000 Euro kosten. Böse Zungen behaupten hinter vorgehaltener Hand, die Ortswahl sei aus dem Kalkül heraus erfolgt, möglichst viele Kritiker und Gegner der Parteinomenklatura um Landessprecher Leif-Erik Holm von einer Teilnahme abzuhalten. Und tatsächlich winken manche ab, wenn man sie auf das bevorstehende Wochenende anspricht. Zu weit und umständlich die Anfahrt und dann auch keine nahegelegenen Übernachtungsmöglichkeiten.

Wie viele Parteimitglieder sich die zwei Tage in der Pampa nicht antun wollen und trotz allen Verdrusses zuhause bleiben, weiß vorderhand niemand so recht. Im Zelt ist Platz für 400 Teilnehmer. Mit rund 250 Mitgliedern wird intern gerechnet. Dabei verspricht der Listenparteitag durchaus spannend zu werden. Die Presse fragt sich, „ob es in Kemnitz krachen wird“ und an anderer Stelle wird der AfD-Landesverband mit einem Vulkan verglichen, der am Wochenende hochgehen könnte. Dabei wird als Hintergrund der explosiven Gemengelage die seit Jahren an Schärfe zunehmende Dauerkritik am Führungsstil aber auch an der generellen politischen Performance von Leif-Erik Holm ausgemacht. Der wiederum scheint in seinen Kontrahenten vor allem Neider zu sehen oder wie die Schweriner Volkszeitung schreibt: „zu kurz Gekommene“, denen einträgliche Mandate oder wenigstens ein Pöstchen im Landesvorstand bisher nicht vergönnt waren.

Gegen diese eher schlichte und auf niedere Motive abstellende Beschreibung der Kritiker von Leif-Erik Holm oder auch des Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Schweriner Landtag, Nikolaus Kramer, spricht freilich, dass sich unter jenen zahlreiche Landtagsabgeordnete und ein Mitglied des Bundestages befinden sowie eine Reihe von lokalen Funktionären und Kommunalpolitikern aus den Kreisverbänden. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich dann doch, etwas genauer hinzuschauen und überdies herauszuarbeiten, wofür das Establishment der AfD um den amtierenden Landessprecher tatsächlich steht.

Einer der bekanntesten Bibelverse lautet: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Erntet man etwa von Dornen Trauben oder von Disteln Feigen? Jeder gute Baum bringt gute Früchte hervor, ein schlechter Baum aber schlechte.“ Also schauen wir mal hinein in den Obstkorb und verschaffen uns in aller Nüchternheit ein Bild:

– Die Mitgliederzahlen der AfD in Mecklenburg-Vorpommern sind rückgängig oder stagnieren zumindest, was freilich kein gutes Zeichen ist. Es bedeutet Stillstand, sinkende Attraktivität in der Öffentlichkeit und am Ende des Tages natürlich geringeren Zuspruch an der Wahlurne. Eine groß angekündigte Mitgliederoffensive, deren Ziel allen Ernstes die Verdopplung der Mitgliederzahl des Landesverbandes innert eines Jahres war, verlief im Sande. Über die so versenkten Gelder, zum Beispiel für teure Werbefilme, spricht man indes nicht mehr so gern. Mit diesem Dilemma korrespondieren freilich die aktuellen Umfragewerte zwischen 13 und 14 Prozent, während die Grünen trotz fünfjähriger Absenz im Schweriner Landtag aus dem Stand an der AfD vorbeiziehen.

– Die AfD in Rostock, der größten und bedeutendsten Stadt des Bundeslandes mit einem Anteil von rund 13 Prozent der Wähler im Nordosten, wurde praktisch zerschlagen und zwar von der eigenen Parteiführung. Vor über einem Jahr enthob man den damaligen demokratisch gewählten Kreisvorstand wegen dubioser Anwürfe und gerüchteweise kursierender Unterstellungen seines Amtes. Fortan dilettierte ein von oben eingesetzter „Notvorstand“. Trotz einer Vielzahl spektakulärer Themen fand AfD in Rostock nicht mehr statt. Letzten Samstag nun schien alles ein glückliches Ende zu nehmen. Ein außerordentlicher Kreisparteitag wählte einen neuen Vorstand – gerade noch rechtzeitig vor Beginn des Wahlkampfes. Allerdings missfiel Leif-Erik Holm die personelle Zusammensetzung des Gremiums und so ließ er die Wahl anfechten. Führungslos treibt die AfD in Rostock weiter vor sich hin, wird zu einem kraftvollen, innovativen Wahlkampf kaum fähig sein.

– Die AfD in Mecklenburg-Vorpommern hat bis anhin keinerlei Anstrengungen unternommen, in den vorpolitischen Raum auszugreifen. Langfristig betrachtet dürfte das ihr größtes und schwerwiegendstes Versäumnis sein. Trotz vielfältiger Erfahrungen und Rückschläge in anderen Ländern scheint die hiesige Parteiführung an dem Irrglauben festzuhalten, man könne allein aus den Parlamenten heraus die Verhältnisse wirkungsvoll und nachhaltig ändern. Folglich wurde der Aufbau einer „Zivilgesellschaft von rechts“, also eines freiheitlich-patriotischen Milieus aus Künstlern, Schriftstellern, Medien, Vereinen und Initiativen, komplett vernachlässigt. Die AfD verfügt seit längerer Zeit durchaus über die Ressourcen, sich hier unterstützend und fördernd zu engagieren. Stattdessen gibt man beinahe 100.000 Euro für ein Zelt aus, anstatt solches Geld in metapolitische Projekte fließen zu lassen, die auf längere Sicht den Zeitgeist und die gesellschaftliche Stimmung in unserem Sinne zu ändern vermögen. Indessen bauen die Linken ihren Vorsprung auf diesem Gebiet immer weiter aus. Übrigens wird sich auch die AfD-Landtagsfraktion fragen lassen müssen, warum sie an der Stelle so sträflich versagt hat, obwohl es genug Anregungen von außen gab.

– Der AfD im Nordosten ist es nicht gelungen, eine strategisch innovative und offensive Mobilisierung der Jugend aufzugleisen. Es gibt keine schlagkräftige Jugendbewegung, die mit attraktiven Aktionen und Angeboten die junge Generation unseres Landes für die freiheitlich-patriotische Sache zu gewinnen vermag. Vertreter der Jungen Alternative (JA) sagen mir immer wieder, dass aus deren Sicht der Landesvorstand um Leif-Erik Holm überhaupt kein Interesse an einer starken und kraftvollen Parteijugend hat. Die Funktionärskaste um den vormaligen Radioansager wolle sich ihre Ruhe nicht stören lassen, vor allem aber keinen Nachwuchs an potentiellen Konkurrenten um Ämter und Mandate.

– Indem sich das Mittelmaß an der Spitze einer Organisation durchsetzt, folgt hernach die intellektuelle Auszehrung und Mehltau legt sich über alles. Pfiffige Projekte, aufsehenerregende Kampagnen und inhaltliche Impulse finden nicht mehr statt, von langfristig angelegten gesellschaftspolitischen Konzepten oder Strategien für deren Umsetzung ganz zu schweigen. So nimmt es auch keineswegs wunder, dass in der AfD von Mecklenburg-Vorpommern die parteiinterne Bildungsarbeit nachgerade komplett brachliegt, während es im benachbarten Niedersachsen beispielsweise eine eigene AfD-Landesakademie gibt mit entsprechenden Vortragsangeboten. Auch die Landtagsfraktion bietet in Sachen Medien- und Bildungsarbeit eine Performance, die qualitativ im diametralen Gegensatz zu den vorhandenen Ressourcen steht.

– Eine starke und schlagkräftige politische Bewegung, die sich in Opposition zum gesamten herrschenden System befindet, kann dessen wachsenden Repressions- und Verfolgungsdruck nur aushalten, wenn sie geschlossen und untereinander solidarisch agiert. Auch hier hat Leif-Erik Holm versagt und zwar mit Vorsatz, denn eine zerstrittene Partei birgt weniger Gefahren für die Machtstellung der Spitze – divide et impera. Die Konsequenzen sind freilich gewaltig. Der Tiefe Staat und seine Handlanger haben leichtes Spiel, einzelne Akteure aus der Organisation herauszubrechen und gleichsam ein Exempel zu statuieren: ‚Seht her! Wir können jeden von euch fix und fertig machen. Solidarität von der eigenen Partei braucht ihr hingegen nicht zu gewärtigen.‘ Dass der politisch-mediale Komplex oder der Verfassungsschutz nach der sukzessiven Opferung der eigenen Leute gnädiger mit der AfD umgeht, steht erfahrungsgemäß nicht zu erwarten.

Fazit: Wer als Mitglied der AfD möchte, dass es in den nächsten Jahren so weitergeht, sollte am Wochenende in Kemnitz unbedingt die für diesen maladen Zustand verantwortlichen Protagonisten unterstützen. Dann bleibt die AfD eben eine harmlose und zahnlose Pseudoopposition, die niemandem wehtut und gefällig ist im Auftreten aber leider ohne jede nachwirkende Durchschlagskraft.

(Am Montag werde ich mich der Frage widmen, wie es angesichts der Ergebnisse des Landesparteitages in Kemnitz für die freiheitlich-patriotische Bewegung in Mecklenburg-Vorpommern weitergeht.)

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