Wenn es fürderhin noch eines ultimativen Nachweises dafür bedurft hätte, dass die Altparteien in Deutschland völlig und endgültig abgewirtschaftet haben, dann kann die diesjährige Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten als solcher gelten. Dieses völlig überflüssige Amt bekleidet mit Frank-Walter Steinmeier derzeit ein grauer Apparatschik aus den Reihen der SPD. Wie so viele seiner Politikerkollegen trägt auch er eine auffällige Brille, was wohl die Leere auf dem Gesicht dahinter ein wenig kaschieren soll. In zahlreichen Ländern werden in diesen Tagen von den Staatsoberhäuptern solche Reden an das jeweilige Volk gerichtet, aber es ist zweifelhaft, ob es noch einem anderen Präsidenten oder Monarchen gelungen ist, so komplett inhaltslos zu salbadern und das über ganze sieben Minuten.
Prompt beginnt man, historische Vergleiche anzustellen. Für eine passende Analogie sorgt Steinmeier freilich höchstselbst, indem er so ungefähr in der Mitte seines Vortrages auf die politische Wende in der DDR und den Mauerfall zu sprechen kommt. Auch ich musste unwillkürlich an eben jene ereignisreiche Zeit denken. Im Sommer 1989 geschahen in der damaligen Sowjetunion, in Polen und Ungarn geradezu unerhörte Dinge. Eine neue Generation von technokratischen Funktionären hatte in jenen Staaten die Kontrolle zu übernehmen und politische sowie wirtschaftliche Reformen einzuleiten begonnen. Auf der anderen Seite standen die schlotternden Greise des SED-Politbüros und verstanden die Welt nicht mehr. Zu den Veränderungen, die den Ostblock in diesen Monaten erfassten, fiel den führenden Genossen der DDR nichts mehr ein, außer die immer gleichen Parolen und Phrasen.
Heute ist Europa, ist die Welt erneut im Umbruch. In den USA regiert ein ehemaliger Baulöwe, der sich um die Konventionen der Vergangenheit nicht schert und auf globaler Ebene knallhart die Interessen seines Landes verfolgt. Ähnliches gilt für den Mann im Kreml, der zudem bereits eifrig an einer engeren Allianz Russlands mit China arbeitet. Beide haben für die moralisierenden Traumtänzer in Berlin kaum mehr als Verachtung und immer weniger Aufmerksamkeit übrig. Parallel dazu weht indes nicht nur aus Paris, sondern auch aus Wien eine frühlingshafte Brise zu uns herüber. Junge Aufsteiger wie Sebastian Kurz oder Emmanuel Macron, die sich ganz bewusst von der Attitüde des drögen Parteifunktionärs abgrenzen und stattdessen als frische Repräsentanten einer Volksbewegung inszenieren, werden ihre Länder in den nächsten Jahren gehörig umkrempeln. Vor allem der österreichische Kanzler scheint, assistiert durch eine von Vitalität strotzende FPÖ, ernsthaft die Verkrustungen der vergangenen Jahrzehnte aufbrechen zu wollen. Neues Selbstbewusstsein wird ferner auch in Ungarn, Polen oder Tschechien zur Schau getragen, was wiederum die herkömmlichen Funktionsmechanismen der EU sukzessive zur Disposition stellen dürfte. Neben politischen Umwälzungen finden aber auch ökonomische Veränderungen statt. Eine neue industrielle Revolution in Gestalt der Digitalisierung ist bereits in vollem Gange und wird die Arbeitswelt global dramatisch umkrempeln.
Immer mehr Länder Europas werden von Leuten regiert, welche diesen Herausforderungen mit innovativen Ideen und methodisch durchaus unkonventionell begegnen, ohne sich vermittels ideologischer Scheuklappen den Blick zu verstellen. Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache könnten gar nicht offensichtlicher der totale Gegenentwurf zu den alten Kadern der Bundesrepublik sein. Die alpenländische Frische kontrastiert in nachgerade erbarmungswürdiger Weise mit solchen verhärmten, geistig völlig ausgelaugten Jammergestalten wie Merkel, Gabriel, Schulz, Schäuble, Kauder oder eben Steinmeier. Eben des letzteren Herren Weihnachtsansprache unterstreicht in diesem Kontext vor allem eines, nämlich dass die deutschen Funktionseliten auf die großen Fragen unserer Zeit keine Antworten und ihrem Volke ergo rein gar nichts mehr zu sagen haben. Da bleibt, wie weiland bei den Politbürokraten der abserbelnden DDR, nur noch der verzweifelte Versuch des eigenen Machterhalts.
Die Hilflosigkeit, mit der eine alte, verwirrte Frau, welche die Regierungschefin des immer noch wichtigsten Staates in Europa ist, vor wenigen Tagen über den Berliner Breitscheidplatz schlich, unfähig für die Opfer eines beispiellosen islamistischen Terroranschlags die richtigen Worte zu finden, war erschütternd und findet seine Entsprechung nunmehr in Steinmeiers weihnachtlicher Darbietung im Schloss Bellevue. Kein Wort verliert er darin über die Terrorgefahr sowie darüber, dass Weihnachtsmärkte inzwischen mit LKW-Sperren und Betonbarrieren gesichert werden müssen. Nicht ein Halbsatz verwendet der Bundespräsident darauf, dass Frauen heuer kaum noch alleine im Dunkeln auf die Straße gehen oder im Park joggen können. Für die Folgen des grandiosen Scheiterns einer weltfremden Zuwanderungs- und Integrationspolitik muss Steinmeier freilich nicht selbst aufkommen. Folgerichtig sieht er auch ganz andere Probleme, wie zum Beispiel die schwindende Zahl von Tankstellen oder Lebensmittelgeschäften im ländlichen Raum. Solches mag in der Tat bedauerlich sein, dürfte aber von seiner Bedeutungsschwere weit hinter all das zurückfallen, worüber Steinmeier nicht gesprochen hat. Die Zuwanderungspolitik, das marode Bildungswesen, drohende Altersarmut sowie Digitalisierung und die künftige Stabilität unserer Sozialsysteme treiben die Menschen zweifellos mehr um.
Wenn Politiker und Bürger in zwei verschiedenen Welten leben, ist das schon schlimm genug. Dramatisch wird es dann, wenn der Staat seine Bürger in deren Welt immer häufiger allein lässt. Und so rät Steinmeier, der die wahren Probleme dieses Landes nicht zu kennen scheint und ergo auch nicht zur Lösung derselben beitragen kann, den Menschen außerhalb seines Paralleluniversums, sich nolens volens selbst zu behelfen. Der Staat, welcher seinen Untertanen sage und schreibe die Hälfte ihres Einkommens abknöpft, sagt zu eben jenen: Ich habe kein Geld. Also müsst ihr selbst in ehrenamtlicher Arbeit Treffpunkte, Cafés, Kinos und Spielplätze einrichten und betreiben oder baufällige Häuser renovieren, die das Dorfbild verschandeln. Es ist derselbe Staat, dem nichts zu kostenaufwändig ist, wenn es darum geht, Millionen Migranten aus allen Teilen der Welt in Deutschland anzusiedeln.
Ein Bundespräsident, der seine Weihnachtsansprache nutzt, um in diesen aufgewühlten Zeiten über die mangelnde Präsenz von Tankstellen im ländlichen Raum zu referieren, gleichzeitig den Rückzug des Staates aus der Fläche als nachgerade schicksalhaft beschreibt, um seinen Sermon mit der Aufforderung zu beenden „Lassen Sie uns aufeinander Acht geben!“ (weil der Staat es offenkundig nicht mehr kann) – das lässt für die Zukunft unseres Landes nichts Gutes erwarten. Trotzdem in diesen Staat noch Vertrauen zu haben, wie von Steinmeier gefordert, ist keine Kleinigkeit, selbst wenn man an das Weihnachtswunder glauben sollte.
4 Kommentare zu „Botschafter des Nichts: Der Bundespräsident und seine Weihnachtsansprache“
Hallo Holger, danke für Deinen Beitrag. Wie immer, vom Feinsten. Bewundernswert Deine Kraft, einem der größten Versager der jüngeren deutschen Geschichte immer noch zuhören zu können. Ich bin dazu nicht mehr in der Lage. Seit 2 Jahren sind Funk und Fernsehen für mich tabu. Ich habe äußerst ungern Schmerzen, schon gar keine seelischen.
Guten Morgen! Dank für den umfassenden Artikel.Ich mag Deine Webseite!
Ja Holger ich habe ( wie Du weisst ) ” mit den Fuessen abgestimmt “… Inzwischen habe ich einen Schweizer Pass…
Mir kann also eigentlich diese ganze “Grosse Kopulation” mit dieser dummen und fuer Deutschland und Europa gefaehrlichen alten Frau an der Spitze eigentlich ” scheissegal ” sein…
Aber es tut weh…und mir fallen unwillkuerlich die Worte Heinrich Heines aus seinem Pariser Exil ein : “…denk ich an Deutschland in der Nacht…dann bin ich um den Schlaf gebracht…ich kann die Augen nicht mehr schliessen…und meine heissen Traenen fliessen…
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