Meuthens Spaltungsplan – Wie weiter mit der AfD?

In der AfD rumort es mal wieder gewaltig, seit Jörg Meuthen offen von einer geordneten Spaltung der Partei fabuliert hat. Ich habe in nachfolgendem Beitrag einige Argumente dafür und dagegen zusammengetragen sowie einen Lösungsvorschlag formuliert, in der Hoffnung, damit zur Versachlichung der Debatte beitragen zu können.

Auch wenn es am 1. April geschah, war es wohl nicht als Scherz gemeint, denn dafür ist das Thema schlicht zu ernst. In einem Interview mit dem alternativen Medium Tichys Einblick hat AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen eine Idee geäußert, deren Umsetzung die politische Landschaft in der Bundesrepublik endgültig revolutionieren könnte. Meuthen sieht unüberbrückbare Gegensätze zwischen den Anhängern des formal aufgelösten „Flügel“ und den liberal-konservativen Mitgliedern der AfD, vor allem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Erstere wären auf diesen Gebieten der Linkspartei näher, letztere der FDP oder CDU. Eine freiheitlich-konservativ-marktwirtschaftliche AfD hätte nach Meuthens Vorstellungen vor allem im Westen mehr Erfolg und eine völkisch-etatistisch-kollektivistische „Flügelpartei“ könnte im Osten gerade unter linken Patrioten noch mehr Wähler gewinnen. Also getrennt marschieren und dann gemeinsam schlagen und regieren.

Meuthens Vorschlag ist freilich nicht neu. Bereits „Parteiideologe“ Marc Jongen brachte im Juli 2019 die Trennung der AfD in zwei Schwesterparteien aufs Tapet. Ihm schwebte eine Arbeitsteilung in der AfD nach dem Vorbild von CDU und CSU vor, gerade um eine Spaltung der Partei zu verhindern. Jongen sagte dem Magazin Frankfurter Allgemeinen Woche seinerzeit: „Die Gefahr einer Spaltung wäre sehr leicht zu bannen, wenn sich der Flügel auf die östlichen Bundesländer konzentrierte, deren Wählerschaft seiner Mentalität besser entspricht.“ Eine Arbeitsteilung wie zwischen CDU und CSU, bezogen auf West und Ost, könne den Konflikt in der AfD vielleicht entschärfen. Während Marc Jongen seinerzeit nur wenig Aufregung erzeugte – vielleicht weil die Idee als skurrile Kopfgeburt eines exzentrischen Philosophen gewertet wurde – hat Jörg Meuthen ungleich größeren Widerspruch auf sich gezogen.

Zunächst einmal wäre da der Zeitpunkt zu kritisieren. Inmitten der schwersten nationalen Krise seit 1945 als Chef der größten Oppositionspartei eine derartige Debatte vom Zaune zu brechen, ist schon ziemlich töricht. Die Öffentlichkeit erwartet von der AfD, dass sie zur Lösung der wie ein Tsunami auf Deutschland und Europa zurollenden Herausforderungen beiträgt. Stattdessen ist die Partei mit sich selbst beschäftigt, liefert auch sonst eine miserable Performance. Dennoch sind die von Meuthen adressierten internen Probleme der AfD sehr real und ein machtvoller Hemmschuh für die weitere Entwicklung der Partei. Insofern befremdet der Unwille, sich überhaupt einmal auf eine sachliche, konstruktive und offene Debatte einzulassen. Denn auch das stößt die Wähler ab: Wie will die AfD beste und wenn erforderlich unkonventionelle Lösungen für die Zukunft Deutschlands finden, wenn die Diskussionskultur in den eigenen Reihen kaum anders ist als bei den Altparteien?

Sowohl Meuthen wie auch Jongen gehen indes von absolut zutreffenden Grundannahmen aus oder anders ausgedrückt: Der Osten tickt nun mal anders als der Westen und das wird wohl auch so bleiben. Zwei patriotische Parteien hätten ferner den Vorteil einer ungleich größeren inhaltlichen Flexibilität und programmatischen Bandbreite. Man müsste nicht mehr darüber streiten, ob man nun lieber das gemäßigte Bürgertum im Westen oder die hartgesottenen Patrioten im Osten erreichen wolle, denn für beide gäbe es ein Angebot. So wie früher die CSU immer einen Tick radikaler war als die CDU, könnte es auch in diesem Fall funktionieren. Liefe die Sache richtig gut, bräuchte man auch keinen Koalitionspartner aus dem Lager der Altparteien mehr. Soweit die möglichen Vorteile dieses Modells. Der Redlichkeit halber gestehe ich an dieser Stelle ein, dass ich die Idee an und für sich ganz charmant finde.

Doch scheinen mir die Gegenargumente unterm Strich zu überwiegen. Als da wären: Die Protagonisten blieben dieselben. Eine gemäßigte AfD würde sich – zumal unter der Führung von Leuten wie Georg Pazderski, Uwe Junge und Beatrix von Storch – sofort von einer „Flügelpartei“ mit Björn Höcke und Andreas Kalbitz an der Spitze distanzieren und abgrenzen, stattdessen (wie auch schon jetzt) die Nähe zur CDU suchen. Bereits daran wäre der Aufbau eines rechten Parteienspektrums nach dem Motto „getrennt marschieren, geeint schlagen“ gescheitert. Die mir zunächst vorbildhaft erschienene organisatorische Vielfalt des linken Spektrums hingegen wuchs organisch über einen langen Zeitraum, der uns Patrioten einfach nicht mehr zur Verfügung steht.

Spätestens wenn bei der nächsten Bundestagswahl die Liberal-Konservativen mit 4,5% und die Sozialpatrioten mit 4,8% (oder umgekehrt oder nur einer bleibt unter der 5%-Hürde) am Einzug ins Parlament scheitern würden, wäre das Vorhaben gescheitert. Davon würde sich die patriotische Bewegung mit Sicherheit in den folgenden 4 Jahren nicht mehr erholen. Gewachsene Strukturen, erfolgreiche politische Karrieren, bewährte Zusammenhänge u.s.f. wären allenthalben dahin. Selbst wenn die Liberal-Konservativen in einigen westlichen Bundesländern und die Sozialpatrioten in den östlichen Landtagen verblieben, ginge die gesamtdeutsche Gestaltungskraft weitestgehend verloren. Ferner hätte die Aktion „Aus eins mach zwei“ unkalkulierbare Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung und die Motivation innerhalb der Wähler- und Anhängerschaft der AfD.

Soweit und so gut. Gleichwohl sind die internen Probleme der AfD, auf die Meuthen mit seiner Idee zu reagieren vorgibt, wie gesagt sehr real. Den Kritikern des AfD-Bundessprechers muss man ins Stammbuch schreiben, dass bis anhin noch niemand die Frage hat beantworten können, wie denn die Friktionen und Antagonismen innerhalb der Partei ohne eine Spaltung nachhaltig und auf Dauer zu lösen wären. Mein Vorschlag: Es ist höchste Zeit für eine große Strategiekonferenz, notabene nach der Corona-Krise. Dann sollten sich alle Interessengruppen innerhalb der Partei mal zusammensetzen und eine sachliche, konstruktive sowie ergebnisoffene Debatte über jene Themen führen, die über die Jahre zu den immer gleichen Zerwürfnissen geführt haben:

1. Regierungsverantwortung oder Opposition? Wenn ersteres, zu welchen Bedingungen? Wie soll das Szenario aussehen?

2. Zielgruppenanalyse: Wer wählt die AfD in Ost und West? Was ist überhaupt die „bürgerliche Mitte“? Wie gelingt der programmatische Spagat zwischen liberalem Bürgertum und sozial Benachteiligten?

3. Wirkungsraum der AfD: Will sie nur Parlamentspartei sein oder auch Bewegungspartei (Stichwort Metapolitik)?

Abschließend wünsche ich der AfD eine gedeihliche und lösungsorientierte Diskussion und verbinde damit meine Hoffnung, dass Jörg Meuthens verwegener Husarenstreich am Ende auch als Chance gesehen wird, die offenkundigen Probleme innerhalb der Partei endlich und ein für alle Mal zu lösen.

 

 

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