Wie im Kino – Eindrücke vom Landesparteitag der AfD

Nein, der letzte Zug von Gun Hill fuhr am 9. November nicht über Waren (kleine Hommage an die Westernfreunde unter uns) und so fand auch nicht statt, was sich die Astrologen der Qualitätsmedien im Vorfeld des AfD-Landesparteitages so zurechtgedeutet hatten. Für die Presse eines Landes, in dem die Eliten von Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie eher wenig halten, ist es naturgemäß auch passender, eine solche Veranstaltung zum Showdown zwischen mittig-gemäßigten und rechtsradikal-völkischen Kräften zu stilisieren. Das war und ist freilich Blödsinn gewesen. Stattdessen ging es in Waren schlicht um die Frage, ob man sich für eine Stärkung der innerparteilichen Basisdemokratie oder das Abgleiten in eine Funktionärsherrschaft, für mehr Idealismus oder eine Begünstigung des Karrierismus entscheidet. Einstweilen sind die Würfel gefallen, doch dazu später mehr. Gehen wir diesen Landesparteitag einmal durch und schauen, was vom Tage übrig blieb (eine Hommage an die Freunde des englischen Melodrams unter uns).

I. Ort und Termin

Waren am größten Binnengewässer des „besten Deutschlands, das es je gab” (so ein Frank-Walter S. zeitgleich irgendwo in Berlin). Zur erwarteten Dramatik passte der angemietete Saal über einem Kino. Dessen gelangweilte Popcorn-Verkäuferin hat wohl so manches Mal sehnsüchtig nach oben geblickt. Schließlich war ein Stockwerk höher viel mehr los. Mit Stücken wie „Herr Holm – neben der Spur“ lockt man das Warener Publikum eben nicht hinterm Ofen hervor. Der Termin des Parteitages hatte ja für große Aufregung gesorgt. Am 9. November. Puh! Darf man das als AfD? Nun, jeder zieht sich den Schuh an, der ihm passt. Republikgründung und Mauerfall hier, Hitlerputsch und Reichskristallnacht dort. Für Entglasungen, Brandanschläge und Straßenschlachten mit der Polizei fühlt sich indes ja eher die Antifa zuständig. So ändern sich die Zeiten. Anti weg und schon passt es.

II. Die Gegendemo

Kein AfD-Parteitag ohne Proteste derjenigen, die von den Steuern der vielen Nazis leben, gegen die sie bei jeder Gelegenheit zu Felde ziehen. So auch am vergangenen Samstag: Herz statt Hetze. Jetzt auch schon Kardiologen gegen rechts? Mitten drin Peter Ritter, niemals lächelnder Landtagsabgeordneter der SED N.O. (Nachfolgeorganisation) in Schwerin. Es gibt Leute, die hätten nicht mal Spaß als Affe auf einem Bananenfrachter. Witz des Tages: Unter der MLPD-Fahne auch der Stadtpräsident von Waren. Aber vielleicht wollte er einfach nur die Typen ausfindig machen, die Nachts zuvor sein Bürgerhaus mit „FCK AFD“ beschmiert hatten.

III. Der Ehrengast

Eigentlich sei Dr. Alexander Gauland ja stark erkältet, so Herr Holm (nicht der vom Kinoplakat) zu den staunenden Parteitagsteilnehmern. Hätte das Bundestagsplenum extra verlassen, um sich ein bisschen erholen und dann noch immer ganz malad gen Waren reisen zu können. Wahnsinn, mögen manche gedacht haben! Das ist alte Schule, Pflichtgefühl. Ganz wie Bismarck, der nach dem Attentat 1866 mit drei Streifschüssen noch seinen Angreifer verfolgte und niederschlug. Dr. Alexander Gauland bedankt sich für so viel … nun ja Nettigkeiten mit einem Grußwort, in dem gefühlt jeder dritte Satz mit „Leif-Erik Holm“ beginnt. Dann wird er grantig. Jemand hätte behauptet, der Feind stünde auch innerhalb der Partei. Völliger Unsinn! Der befände sich nämlich niemals in den eigenen Reihen. Na so was. Wozu dann die ganzen Parteiausschlüsse?

IV. Der Geächtete

Wie wird sich Dennis Augustin in Waren verhalten? So hatte die Presse zuvor raunend gefragt und was eigentlich erwartet? Ein Parteitag ist schließlich kein Mantel-und-Degen-Film (es gab wie gesagt auch kein Popcorn), sondern eher eine Malstunde mit Bob Ross, an deren Ende ein Bild steht, das nicht jedem gefällt. Vielleicht hätte man erwarten können, dass Herr Holm (nicht der vom Kinoplakat) dem Auditorium mal erklärt, warum in einer angeblichen „Rechtsstaatspartei“ der Angeklagte seine Unschuld beweisen muss. Solche praktischen Neuerungen versteht möglicherweise nicht jeder.

V. Der Hauptdarsteller

Leif-Erik Holm – so spötteln manche in der AfD – bekäme es seit Jahren immer irgendwie hin, seinen Nachwuchs so zu zeugen, dass er kurz vor Landesparteitagen das Licht der Welt erblickt, um dann in jenen Reden erwähnt zu werden, mit denen er um seine Wiederwahl wirbt. So auch diesmal. Stolz wird allen Ernstes „Vollzug“ gemeldet. Das dritte Kind. Als geschähe das stete Gebären im Auftrag der Partei. Der freudigen Botschaft folgt ein endloses Lamento über die Schlechtigkeit der Welt sowie die unfassbare Bösartigkeit des politischen Gegners und der Medien. Am Ende der Ausruf: „Das kann doch nicht wahr sein!“ Doch, ist es. Und es wird nicht besser durch endlose Klagelieder. Von Strategien und Lösungen ist in Waren nicht viel zu hören. Wie auch? Denn da sind noch einige Leute in der Partei … also keine Feinde (geht nicht nach Gauland) aber eben solche, die nicht so wollen sie sollen. Also erst noch ein paar Parteiausschlüsse und dann geht es richtig los.

VI. Die Sidekicks

Laut Wikipedia bezeichnet der Begriff Sidekick u.a. im Film eine spezielle Art von Nebenrolle, meistens den Begleiter der Hauptfigur. Diesen Job hatten Nikolaus Kramer, Chef der Landtagsfraktion, sowie ein Herr Beckmann vom Verein Konservativer Kommunalpolitiker übernommen. Lästige Satzungsänderungsanträge, die auf eine Amtszeitbegrenzung für Landessprecher oder die Trennung von Amt und Mandat abzielten, hatten da keine Chance. Kernaussage der Funktionäre: Was erlauben Basis? So ein Vorstandsamt sei nicht vergnügungssteuerpflichtig. Ständig müsse man sich mit „schwachsinnigen“ Anliegen der Kreisverbände beschäftigen. Da können die Mitglieder aber mal froh sein, dass alles bleibt wie es war und sie nicht selbst ran müssen.

VII. Das Plenum

Rund 300 AfD-Mitglieder sind nach Waren gekommen. Chapeau! Deren Gutmütigkeit ist freilich beispielhaft. Bis 21 Uhr harren sie aus. Immerhin gibt es zum Mittag Gulasch und Mischgemüse. Letzteres ist geradezu metaphorisch. Von allem was dabei. Wie im Saal. Dort geht es zuweilen hoch her. Die Satzungsänderungsanträge sorgen für Verdruss. Idiotisch seien die, so ein Vorständler und überhaupt meckere das Fußvolk nur herum, aber wenn mal was zu tun sei. Man hat es nicht leicht als Landesvorstand. Ständig Wahlkämpfe, Plakate aufhängen und Flugblätter verteilen … ach ne, das machen ja … genau, die Mitglieder. Die nehmen es gelassen. Ihre Mandatsträger sind halt etwas überspannt, arbeiten zu viel und machen wer weiß was noch alles. Da will man nett sein und wählt sie gleich wieder in alle möglichen Ämter hinein. Und so eine Amtszeitbegrenzung ist vielleicht doch nicht so toll. Gauland hatte gesagt, er würde wenn möglich gerne Bismarck wählen. Tja, das wäre dann die wievielte Legislatur des Eisernen Kanzlers?

VIII. Fazit

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Das mussten in Waren einige Leute lernen. Herr Holm (nicht der vom Kinoplakat) sagte in seiner Rede daselbst, er stünde für einen Kurs der Mitte. Die Mitte ist immer irgendwie zwischen irgendwas, im schlimmsten Fall zwischen zwei Stühlen. Da fällt man schnell runter. Darüber könnte man ja nochmal nachdenken. Apropos Basisdemokratie: Da war doch jener berühmte Satz von Dr. Gauland: „Die AfD ist ein gäriger Haufen.“ Mag sein. Und was bei der Gärung anfangs oben schwimmt, liegt am Ende wieder unten. 

 

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1 Kommentar zu „Wie im Kino – Eindrücke vom Landesparteitag der AfD“

  1. Ich habe den Eindruck, dass die AfD zunehmend zu einer Systempartei wird. Das Hauptproblem ist deswegen auch die Parteienherrschaft in Deutschland. Die Kartellparteien haben das Land als Geisel genommen. Dieses System ist von innen heraus nicht reformierbar und deswegen wird auch die AfD scheitern. Parteien gehören am besten abgeschafft. Mehrheitswahlrecht und gut ist. Dazu direkte Demokratie mit Volksabstimmungen. Niemand braucht Parteien.

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