Kommt bald der Oxit? (Teil 1)

Haben Sie sich schon einmal erträumt, Mecklenburg-Vorpommern oder gleich ganz Ostdeutschland würden nicht mehr zur Bundesrepublik gehören? Wenn ja, keine Sorge, denn über 20 Prozent der Bürger in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen teilen den Wunsch nach einer staatlichen Unabhängigkeit ihres jeweiligen Bundeslandes. In Bayern ist es sogar ein Drittel. Das ergab eine repräsentative YouGov-Umfrage im Sommer 2017 vor dem Hintergrund der Separationsbestrebungen in Katalonien und anderen Regionen Europas. Wenn also ein Fünftel bis ein Drittel der Bürger eine Herauslösung ihres jeweiligen Bundeslandes aus der deutschen Föderation befürworten, dann handelt es sich hier mitnichten um abseitige Wunschträume spinnerter Sonderlinge, sondern um ein Thema von gesellschaftlicher Relevanz. Die überraschenden Umfragewerte passen allerdings zum europäischen Trend, demzufolge Territorien wie das bereits erwähnte Katalonien, aber auch das Baskenland, Schottland, Südtirol, Flandern oder Venetien selbstbewusster werden und mehr Selbständigkeit oder sogar die staatliche Unabhängigkeit einfordern. Auch wenn jüngste Gerichtsentscheide eine Umsetzung von derlei Zielen in Deutschland aussichtslos erscheinen lassen, will beispielsweise die Bayernpartei, welche eine bayerische Sezession anstrebt, ihren Traum ebenso wenig aufgeben wie die katalonischen Parteien nach entsprechenden spanischen Gerichtsentscheidungen: Ihr Jugendverband erinnert auf Facebook daran, dass Bayern dem Grundgesetz 1949 nicht zustimmte und sich “bis heute lediglich damit arrangiert hat”.

Gerade in Ostdeutschland hat die Enttäuschung über die politischen Folgen der Wiedervereinigung bei aller Wertschätzung der durch den Westen ermöglichten Aufbauarbeit allenthalben dramatische Formen angenommen. Eine wachsende Zahl von Ostdeutschen sieht sich von den Eliten getäuscht und muss feststellen, dass die Bundesrepublik dreißig Jahre nach friedlicher Revolution und Mauerfall einer großen DDR 2.0 immer ähnlicher wird. Teils verbittert und teils ungläubig reklamieren sie für sich, dass man 1989 nicht auf die Straße gegangen sei, um heute in einem Staat wie diesem leben zu müssen. Die Wiedervereinigung war ja seitens der Ostdeutschen nicht nur dem Wunsch nach einem höheren Lebensstandard geschuldet, sondern in der Zügigkeit ihrer Umsetzung auch Ausdruck der Sehnsucht nach einer Heimkehr in die eine deutsche Nation. Deren als abnorm empfundene Spaltung lief den patriotischen Gefühlen der Menschen zwischen Kap Arkona und Fichtelberg gerade deswegen zuwider, weil die Erziehung in der DDR paradoxerweise diesen Nationalstolz nährte und zwar aus dem irrigen Kalkül heraus, die Subjekte des SED-Staates würden ihre Vaterlandsliebe eben jenem künstlichen Gebilde entgegenbringen und es in seiner Existenz so legitimieren. Daher war es die DDR und nicht die Bonner Republik, welche plötzlich Friedrich den Großen, Bismarck, Luther und August den Starken wiederentdeckte und auf alle mögliche Weise zu vorbildhaften Figuren einer ostdeutschen Sondergeschichte erkor. Die BRD hingegen brauchte den Patriotismus nicht, hatte sie doch ihren Wohlstand, auf welchem die Loyalität der Bürger basierte.

In einem vorzüglichen Beitrag für die Neuer Zürcher Zeitung hat sich der Schriftsteller Klaus-Rüdiger Mai gerade erst unlängst mit der Entfremdung zwischen Ost- und Westdeutschland auseinandergesetzt. Er schreibt: Der Ostdeutsche dagegen besteht auf der Existenz Deutschlands. Er empfindet sich als Deutscher wie der Franzose als Franzose, der Italiener als Italiener und der Portugiese als Portugiese. Es käme ihm nicht in den Sinn, Deutschland aufzugeben, hat er doch im Gegensatz zum Westdeutschen gerade in einer räumlichen Abtrennung für diese Vergangenheit gebüsst. (…) Mit der deutschen Vereinigung ging für viele Ostdeutsche ein langgehegter Traum in Erfüllung, ein Traum, für den die Linksliberalen, die Toskana-Fraktion und die Kaviar-Linken keinerlei Verständnis aufbrachten. Doch für die Ostdeutschen war die Wiedervereinigung eine Heimkehr, eine Heimkehr nach Deutschland, ein Abschütteln der Fremdherrschaft.“ Eine Heimkehr, so möchte man ergänzen, in ein Land, dass es schon damals gar nicht mehr gab. Mai fährt fort: Die Erfahrung der Diktatur, der fehlenden Meinungsfreiheit, der fehlenden Demokratie, der Allgewalt der Propaganda, der Verteufelung und Diskriminierung des politisch Andersdenkenden wird in einer Situation aktiviert, in der die Gegenwart Züge der Vergangenheit annimmt.“

Folgerichtig mussten die Ostdeutschen nach und nach erkennen, dass sie einer Illusion aufgesessen waren, denn jene Eliten, die mit der Attitüde von Kolonialherren das Beitrittsgebiet übernahmen, sind nicht vom Erhalt der deutschen Nation beseelt, sondern von deren restloser Abschaffung durch Islamisierung, Klimawahn und rücksichtslose Massenzuwanderung. Voller Verstörung sah man sich mit Politikern konfrontiert, welche das eigene Land „Scheiße“ finden oder die erneute Bombadierung Dresdens fordern, weil dort wöchentlich patriotische Kundgebungen stattfinden. Die Ostdeutschen landeten somit beinahe zwangsläufig in der „rechten“ Schmuddelecke und müssen seit Jahren erleben, wie ihre Heimat von westlichen Politikern, „Kultur- und Medienschaffenden“ sowie durch Kollaborateure aus den eigenen Reihen wie dem unsäglichen Hochstapler Gauck keineswegs als Bereicherung empfunden wird, sondern als schmuddelige Last, als peinliches Anhängsel, als „Dunkeldeutschland“ eben. Während die um ihre Hoffnungen geprellten Ostdeutschen darauf mit Trotz und Verweigerung reagieren, benehmen sich die Eliten wie entnervte Gouvernanten, deren ungezogene Mündel sich allen Erziehungsversuchen verweigern. Kurzum werden die Linken der alten Bundesrepublik es den „Ossis“ nie verzeihen, dass sie das sozialistische Experiment in der DDR per Volksaufstand beendeten.

Es ist diese Gemengelage, welche immer mehr Menschen in den sogenannten neuen Bundesländern darüber nachdenken lässt, ob dieses wiedervereinigte aber immer unkenntlicher werdende Deutschland tatsächlich ein sowohl zukunftsfähiger wie auch ihren Vorstellungen entsprechender Lebensraum sein kann. Dies umso mehr, als sich der vormalige Sehnsuchtsort jenseits der früheren innerdeutschen Grenze als Fata Morgana entpuppt hat und mehr abschreckende Dystopie denn nachahmenswertes Beispiel ist. Von dieser Erkenntnis ist es freilich nicht mehr weit zum Gedankenspiel einer neuerlichen Teilung der deutschen Nation in zwei Staaten, die dem manifesten Volkswillen entsprechend eigene Wege gehen. Das käme irgendwie auch dem insgeheimen Bedürfnis vieler Westdeutscher entgegen, die am liebsten wieder unter sich sein möchten, um von den renitenten „Ossis“ ungestört der Wahnidee eines multikulturellen Paradieses, mithin der Selbstabschaffung nachgehen zu können. Unvergessen bleibt an der Stelle ein bei Twitter abgesetzter Vorschlag von Ansgar Mayer, seines Zeichens Mediendirektor des Erzbistums Köln: Tschechien, wie wär’s: Wir nehmen Euren Atommüll, Ihr nehmt Sachsen?“ Fakt ist, dass sich die Ostdeutschen ihren polnischen und tschechischen Nachbarn aufgrund des gemeinsamen Erfahrungshintergrundes häufig sehr viel näher fühlen als den westdeutschen Landsleuten. Wohin wird all das führen? Steuern wir tatsächlich auf einen „Oxit“ zu?

Im zweiten Teil dieser Betrachtungen wollen wir uns einigen zwangsläufigen weil notwendigen praktischen Fragen widmen.

 

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3 Kommentare zu „Kommt bald der Oxit? (Teil 1)“

  1. O nein, wir waren und sind nicht alle so verdorben. Man sorge lieber dafür, dass sich die Guten in Mittel- und Westdeutschland finden, um für unser gemeinsames Vaterland zu kämpfen. Nichts schöner für den Feind als die Möglichkeit, unser Volk erneut zu teilen. Und man sitzt dieser Propaganda auf? Es gibt in ALLEN Bundesländern Patrioten, was gerne mal verschwiegen wird, was untergeht, untergehen soll…

    1. Ich fürchte, dass wird ein Wunschtraum bleiben, wenn ich mir die AfD im Westen so ansehe. Eine gesamtdeutsche Nation ist unbestritten der Idealzustand, aber wenn sich dieser nicht mehr halten lässt ohne den Fortbestand unseres Volkes und seiner Identität zu gefährden, muss man zu unkonventionellen Methoden greifen. Während der Besetzung des Balkan durch die Osmanen wurde die dortige traditionelle christliche Kultur in einem Kloster im Rilagebirge vor der Auslöschung bewahrt. Vielleicht droht uns das auch in naher Zukunft. In westdeutschen Ballungsräumen haben schon jetzt nahezu 50 % der Einwohner einen Migrationshintergrund.
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  2. Leipzig ist dunkelgrün, Dresden ist grün, Magdeburg, Erfurt, Potsdam und Rostock (und nicht nur die) sind voll mit Einwanderern. Was in der NRW-AfD abgeht, ist ein Skandal, ganz ohne Zweifel. Man könnte mit einem vernünftigen Kurs mehr Wähler gewinnen, auch dort, man traut sich nicht oder will es ganz einfach nicht. Wollen Sie mit den Jung-Ossis, die genauso verdorben sind wie die Wessis, Staat machen? Ich rede immer nur vom Durchschnitt, denn mitnichten ist der ganze Westen verdorben und mitnichten ist in Mitteldeutschland alles bestens. Es wäre gut, wenn alle, die guten Willens sind, sich nicht spalten ließen (das will man doch), sondern sich daran machten, die Probleme zu lösen. Das ist ohnehin eine unmenschlich große Aufgabe.

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