Die Klärung eines Sachverhalts

Im Spätsommer 1989 wurde ich in Berlin mal von der Stasi einvernommen, als diese dabei war, noch im Untergang des SED-Regimes an unserer Berufsschule gegen angeblich staatsfeindliche Umtriebe zu ermitteln. Immerhin gab es Kaffee und Kuchen und rauchen durfte ich auch. Vorgestern verhörten mich Beamte des BKA als Zeugen, gewissermaßen in Fortsetzung einer Hausdurchsuchung am Tag zuvor, aus ähnlichen Gründen, eben mutmaßlich staatsfeindliche Umtriebe einer geheimnisvollen Gruppe aus der sogenannten Prepper-Szene.

Diese Erlebnisse, über die ich seither beinahe ununterbrochen nachdenken muss, sagen sehr viel mehr über dieses Deutschland aus, als ich jemals zu den Sachverhalten aussagen könnte, zu deren Klärung ich fast einen ganzen Tag lang verhört worden bin. Das BKA ist nicht das MfS, aber beide Behörden stehen für einen Staat, der Angst hat vor seinen eigenen Bürgern. Aus dieser Angst erwächst eine Paranoia, angereichert mit Wahnvorstellungen, die überall eine irrationale Gefahr für den Fortbestand des Systems wittern.

Zur besseren Illustration empfehle ich den preisgekrönten Kurzfilm „Die Klärung eines Sachverhalts“ aus dem Jahre 2011. Darin wird der junge DDR-Ingenieur Jürgen Schulz von der Stasi verhört, weil er und seine Frau einen Ausreiseantrag gestellt haben. Der Zuschauer erlebt ein bedrückendes Kammerspiel mit dem verunsicherten, zeitweise verängstigten Zeugen auf der einen Seite sowie dem Geheimpolizisten auf der anderen, dessen Verhalten zwischen ostentativer Freundlichkeit („Zigarette?“) und perfidem Druck („Sie sind ein Diversant, ein Verräter!“) changiert.

Interessant und den heutigen Verläufen an der Stelle nicht unähnlich, ist es, aus welchen nachgerade absurden Details das MfS für sich selbst schlüssige Verdachtsmomente, ja Straftaten zusammenschusterte. Ein paar ausgeschnittene und in einem Ordner abgeheftete Zeitungsartikel werden da plötzlich zum Beweis für Spionage im Dienste des imperialistischen Auslands. Drei harmlose Bildchen deuten in den Augen des Vernehmers die Planung eines schweren Verbrechens an. Aus verständlichen Gründen will und darf ich hier keine Einzelheiten nennen, kann aber sagen, dass sich vorgestern beim BKA-Verhör fast identische Szenen abgespielt haben.

Historische Analogien bedeuten freilich keine Gleichsetzung. Nichtsdestotrotz wird es für politisch Andersdenkende immer ungemütlich, wenn Herrschende um ihre Macht kämpfen. In der DDR kämpfte eine Staatspartei, die ihre Politik irrigerweise mit dem Wohl des Volkes in eins setzte, um ihre Macht und war bereit, zu diesem Zwecke buchstäblich alles zu tun. Wir wissen heute, dass die SED selbst vor Schusswaffengebrauch gegen Demonstranten und Internierungslagern nicht zurückschreckte. Heute ringt in Gesamtdeutschland ein marodes Parteienkonglomerat um den Erhalt seiner Macht und bekämpft dabei alles und jeden, der diesen Machtanspruch in Frage stellt.

Es gehört zur bösen Ironie der Geschichte, dass sich Bürgerrechtler aus der DDR, die damals im Widerspruch zu den Regierenden standen, heute abermals auf der Seite der Staatsfeinde wiederfinden.

© Bild: Screenshot YouTube

Wir sollten in Kontakt bleiben! Jetzt Newsletter abonnieren!

Teilen Sie diesen Beitrag:

2 Kommentare zu „Die Klärung eines Sachverhalts“

  1. besser kann man all diese Zusammenhänge in der Kürze der Zeit und Möglichkeiten nicht sagen.
    Es ist einfach alles nur zum Kotzen und die Herren und Damen in den Gerichten sprechen heute und genau wie 1936 ” im Namen des Volkes “…..alles `Gekaufte `
    Laß Dich nicht unterkriegen…Holger. Die Kraft steckt in der Arbeiterklasse….wenn wir die Arbeit nieder legen, dann kommen all Diese `um Ihre Macht erhaltenden Dummschwätzer `bei uns wieder angekrochen.

  2. I just like the valuable info you provide on your articles. I will bookmark your weblog and test again right here regularly. I am reasonably sure I’ll be told plenty of new stuff right right here! Best of luck for the next!

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert